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Haftung für Schäden an PKW durch hochgeschleuderte Steine bei Mäharbeiten

Die Rechtsprechung befasste sich in den letzten Jahren recht häufig mit Sachschäden an parkenden oder vorbeifahrenden Fahrzeugen durch hochgeschleuderte Steine während Rasenmäharbeiten. Da mehrere Mandanten bereits mit den entsprechenden Haftungsansprüchen von Mietern konfrontiert worden sind, die ihre Fahrzeuge im angrenzenden Parkraum abgestellt hatten, während Mäharbeiten auf Rasenflächen der Genossenschaften bzw. Gesellschaften stattfanden, bestätigt wurden, geben wir hier einen Überblick über den Verlauf der Rechtsprechungsentwicklung.

 

1. BGH Urteil vom 28.11.2002, Az. III ZR122/02

Im Fall war bei Mäharbeiten ein „Sabo“-Handmäher benutzt worden. Ein Stein sei vom Mähwerk erfasst, innere Keile zerschlagen und in Richtung des klägerischen Fahrzeuges geschleudert worden, obgleich am Mäher eine Schutzeinrichtung vorhanden und die Auswurfvorrichtung sich auf der fahrzeugabgewandten Seite befunden habe. Die Beklagte hatte angegeben, vor Beginn der Arbeiten den Bereich nach Steinen abgesucht zu haben. Das Gericht äußerte zunächst Zweifel daran, dass ein solcher Stein dabei nicht hätte auffallen müssen. Jedenfalls hätte die Beklagte nicht sämtliche Möglichkeiten zur Schadensvermeidung ausgeschöpft. Insbesondere kommen dabei in Betracht: Die Absperrung angrenzender Parkflächen, die Absicherung durch aufzuspannende Planen bzw. notfalls, falls diese Maßnahmen nicht möglich sind, den Verzicht auf den Einsatz motorbetriebener Geräte und den Umstieg auf handbetriebene Mähgeräte.

 

2. Urteil des OLG Brandenburg vom 17.07.2012, Az. 2 U 56/11

Im Fall befuhr das klägerische Fahrzeug eine Bundesstraße Richtung Autobahn während Mitarbeiter der Straßenmeisterei einen Grünstreifen seitlich der Bundesstraße mähten, welche mit einer Schutzplanke versehen waren. Sie verwendeten dabei sogenannte Freischneider, das sind Handmotorsensen ohne Auffangkörbe, die das Mähgut linksseitig auswerfen. Laut Bedienungsanleitung dürfen sich während der Tätigkeiten keine Personen im Umkreis von 15m aufhalten. Dieser Sicherheitsabstand sei auch wegen der Gefahr von Sachschäden durch wegschleudernde Gegenstände einzuhalten. Das beklagte Land beriet sich darauf, dass durch das Verkehrssicherungszeichen „Baustelle mit Zusatzzeichen Mäharbeiten“ eine Ausschilderung erfolgt und damit eine Warnung gegeben sei. Die Rundumleuchten sowie die Warnblinker des Arbeitsfahrzeuges seien eingeschalten gewesen. Der Auswurf sei während der Mäharbeiten nicht in Richtung Straße erfolgt. Das Absuchen der Grünstreifen führe zu unverhältnismäßigen Kosten, weil hierfür ein doppelter Aufwand an Arbeitskräften erforderlich sei, zudem im Gras auch kleinere Teile leicht übersehen werden könnten. Eine Sperrung der Straße und das Aufstellen von Planen sei unverhältnismäßig.

Das Oberlandesgericht Brandenburg gab der Klage wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht jedoch statt. Zwar dürften die Anforderungen an die Zumutbarkeit von Verkehrssicherungsmaßnahmen nicht überspannt werden und insbesondere könnten nur solche verlangt werden, die mit vertretbaren technischem und wirtschaftlichem Aufwand erreichbar sind und nachweislich zu einem besseren Schutz führten. Das Hochschleudern von Gegenständen bei Mäharbeiten sei keine fernliegende Gefahr, zumal die Bedienungsanleitung des Herstellers hier bereits darauf hinweise. Ein hinreichender Schutz sei durch die aufgestellten Warnhinweise nicht gegeben, weil die Verkehrsteilnehmer durch ihre Fahrweise eine Beschädigung durch die Steine nicht vermeiden könnten. Auch der, der verkehrsgerecht abbremse, könne schließlich weder den entgegenkommenden Mäharbeiten ausweichen noch einfach stehen bleiben oder gar wenden auf der Bundesstraße. Die Schutzvorrichtung am Mähgerät betrage lediglich einen Viertelkreis. Das Aufwirbeln von Steinen bei Mäharbeiten sei kein allgemeines Lebensrisiko. Zusätzliche Schutzmaßnahmen seien mit vertretbarem Aufwand erreichbar. Insbesondere hätte die Beklagte eine Schutzplane errichten können oder ein zweites Fahrzeug als Schutzschild einsetzen können. Zudem wäre die Wahl einer verkehrsärmeren Tageszeit mit Unterbrechung der Arbeiten während der Vorbeifahrt von Verkehrsteilnehmern denkbar gewesen. Die Entscheidung wurde in der Revisionsinstanz durch den Bundesgerichtshof im Urteil vom 04.07.2013 Az. III ZR 250/12 bestätigt.

 

3. Urteil des OLG Hamm vom 03.07.2015, Az. 11 U 169/14

Das Gericht stellt hinsichtlich des erforderlichen Umfangs der Sicherungsmaßnahmen auf den Einzelfall und das Gefahrenpotenzial des jeweiligen Mähgerätes ab. In diesem Fall war ein Fahrzeug mit einem angebrachten Mähausleger zum Einsatz gekommen. Dessen Mähkopf besaß einen Schleuderschutz in Mährichtung, so dass das Gericht annahm, hierdurch sei die Gefahr des Herausschleuderns von Gegenständen auf seltene Ausnahmefälle reduziert. Dies konnte durch Zeugenaussagen, wonach in den letzten zehn Jahren kein einziges vergleichbares Schadenereignis aufgetreten sei, belegt werden. Zudem habe der Traktor selbst anderen Verkehrsteilnehmern zusätzlichen Schutz geboten, da sich der Mähkopf im Unfallzeitpunkt seitlich neben dem Traktor befunden habe, so dass er durch den Traktor zur Straße hin abgeschirmt gewesen sei. Es habe zudem keine Anhaltspunkte für gesteigerte Sorgfaltspflichten, etwa wegen der Besonderheiten der zu mähenden Fläche, gegeben. Da somit aufgrund des benutzen Gerätes nur ein minimales Schadensrisiko bestanden habe, seien zusätzliche Sicherungsmaßnahmen in wirtschaftlicher Hinsicht nicht zumutbar gewesen. Insbesondere der Einsatz von Handrasenmähgeräten auf der 12 km langen Strecke mit einem nicht mehr vertretbaren zeitlichen und personellen Aufwand verbunden. Entsprechendes gelte für den Einsatz einer mobilen Schutzplane oder eines weiteren Fahrzeuges als Schutzschild.

 

4. Hinweis

Da sich die Rechtsprechung verstärkt mit dieser Thematik beschäftigt, ist zu empfehlen, bei Verträgen, die Wohnungsunternehmen mit Dienstleistern im entsprechenden Gewerbe abschließen, die Verpflichtung zu Schutzmaßnahmen vertraglich zu fixieren, zumal der BGH bereits im Jahre 2003 gesteigerte Sorgfaltspflichten für die Fälle, in denen Mähgeräte unmittelbar neben dort geparkten Fahrzeugen zum Einsatz kamen, angenommen hatte (BGH Az. III ZR122/02). Zu regeln sind: hinreichende Ankündigung (rechtzeitig und deutlich), Mähzeiten (Lärmschutz), Prüfungspflichten (Beschaffenheit des Bodens und Beseitigung evtl. Ablagerungen), erforderliche Abschirmungsmaßnahmen. Häufig können Schadenersatzansprüche wegen fehlenden Nachweises, dass der Schaden gerade durch die Mäharbeiten entstanden ist, abgewiesen werden. Jedoch ist der Vermieter nicht nur aus Gründen der Verkehrssicherung, sondern besonders gegenüber seinen Vertragspartnern, den Mietern, zu besonderer Sorgfalt verpflichtet.

Noreen Walther

Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 22/2016

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz