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Baumkontrolle als Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers

Das OLG Oldenburg hat lt. einer Pressemitteilung im Hinweisbeschluss vom 11.05.2017 zu Az. 12 U 7/17 die Anforderungen an die Wahrung der Verkehrssicherungspflicht für private Grundstückseigentümer im Bereich der Baumkontrolle konkretisiert.


Hintergrund:

Im Bereich von Bäumen können Gefahren durch herabfallende Äste, Umstürzen der Bäume oder durch Laub- und Fruchtabfall entstehen. Umfang und Häufigkeit der Baumkontrollen sind abhängig von Zustand und Standort des Baumes, Art des Verkehrs, Verkehrserwartung, der Zumutbarkeit sowie dem Status des Verkehrssicherungspflichtigen. Nach überwiegender Rechtsauffassung ist mindestens einmal, in der Regel zweimal jährlich (Greiner ZWE 2014, 343), nämlich vor Beginn und am Ende der Vegetationsperiode (unbelaubt und belaubt), eine Baumkontrolle durch einen Baumkontrolleur durchzuführen, der bei Verdachtsmomenten ggf. sachverständige Hilfe hinziehen müsse, vgl. OLG Rostock Urteil vom 10.07.2009, Az. 5 U 334/08; OLG Brandenburg Urteil vom 12.02.2002, Az. 2 U 37/01. Nach a. A. gibt es keine allgemeinen Regeln für Prüfungsabstände. Jungbäume bedürften demnach keiner Kontrolle, gesunde und leicht beschädigte Bäume in der Alterungsphase (ab ca. 50 Jahren) einer einmal jährlichen Kontrolle, OLG Köln Urteil vom 29.07.2010, Az. 7 U 31/10.

Baumkontrollen erfordern eine Prüfung des Umfeldes, des Standraumes und des Baumes selbst. Die Bäume müssen dabei von allen Seiten betrachtet werden und nicht nur vom Auto aus. Umstritten ist, ob der Eigentümer verpflichtet ist, einen Hubwagen einzusetzen oder ob dies nur bei Verdachtsmomenten gilt.


Entscheidung:

Das Fahrzeug der Klägerin hatte einen Sachschaden von 9000 € wegen eines Astabbruchs an einer Rotbuche erlitten, unter der sie ihr Fahrzeug geparkt hatte. Ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten ergab, dass Hinweise auf eine mögliche Instabilität bestanden, weil die Rinde an der Astgabelung länglich verdickt war. Die Klägerin verlangte von der Hausverwaltung, die die Eigentümer mit der Verwaltung des Grundstücks betraut hatten, Schadenersatz.

Nach Ansicht des OLG Oldenburg müsse jeder Eigentümer eines Baumes auf seinem Grundstück diesen auf Schäden, Erkrankungen und Standfestigkeit untersuchen – und zwar im erhöhten Maße im Bereich von Verkehrsflächen. Anders als bei Gemeinden, die die Straßenbäume regelmäßig durch qualifiziertes Personal kontrollieren lassen müsse, ob trockenes Laub, Beschädigungen oder dürre Äste Anlass für nähere Untersuchungen oder ein Eingreifen gäben, seien die Anforderungen bei Privatleuten aber geringer.

Privateigentümer müssten nicht laufend sondern nur in regelmäßigen Abständen eine äußere Sichtprüfung auf für Laien erkennbare Probleme, wie abgestorbene Teile, sichtbaren Pilzbefall oder Verletzungen der Baumrinde durchführen.

Sei wie im entschiedenen Fall die Instabilität nur für einen Baumfachmann mit forstwirtschaftlichem Wissen erkennbar, könne dem Laien kein Verschuldensvorwurf gemacht werden.


Praxishinweis:

In Literatur und Rechtsprechung wird andererseits vertreten, dass eine Kontrolle des Baumbestandes durch Eigentümer, Hausverwalter oder WEG-Verwalter mittels qualifizierter Fachunternehmen nach der FFL-Baumschutzrichtlinie zusätzlich der laufenden Kontrolle auf sichtbare Anzeichen z. B. durch den Hausmeister durchgeführt werden sollte, vgl. Elzer/Fritsch/Meier, Wohnungseigentumsrecht 2010, § 2 Rz. 777 ff.; Greiner ZWE 2014, 343, a. A. nach der VTA-Methode Wittek, KommJur 2009, 373.

Der für die laufende Sichtprüfung angestellte Kontrolleur, z. B. Hausmeister, muss aber auch in der Lage sein, Defektsymptome zu erkennen; vgl. OLG Brandenburg Urteil vom 12.02.2002 a.a.O. Daher verbleibt es dabei, dass auch der angestellte Kontrolleur zumindest grundlegend geschult sein oder ein Fachunternehmen beauftragt werden muss.

Die Kosten sind – bei ausdrücklicher Vereinbarung – als sonstige Betriebskosten gemäß § 2 Nr. 17 BetrkV, vgl. AG Bottrop Urteil vom 12.06.2014, Az. 11 C 59/14, Blank/Börstinghaus, Miete 2017, § 556 Rz. 72a, nach a. A. als Kosten der Gartenpflege gemäß § 2 Nr. 10 umlagefähig, vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht 2015, § 556 Rz. 156. 

Bei der Gestaltung von Verträgen über Baumpflegearbeiten ist eindeutig die Verkehrssicherungspflicht mit zu übertragen, gleichzeitig sind Protokollierungs- und Kontrollpflichten aufzuerlegen.

Führt der Eigentümer / Verwalter selbst Kontrollen durch, sollte er dokumentieren, welche Wahrnehmungen er bei der Kontrolle gemacht hat, weil im Schadensfall eine genaue Befragung in der Zeugenvernehmung stattfinden wird, vgl. AG Bremen Urteil vom 20.04.2007, Az. 7 C 1/07.

Im Übrigen werden immer wieder Entscheidungen veröffentlicht, wonach bestimmte Baumarten nicht in der Nähe von ausgewiesenen Parkplätzen stehen dürfen, vgl. Blank/Börstinghaus, Miete 2017, § 535 Rz. 350, (Pappeln) OLG Saarbrücken Urteil vom 29.06.2010, Az. 4 U 482/09, a. A. LG Meiningen Urteil vom 17.09.2012, Az. 3 O 1031/11; oder zumindest überragende Äste zu entfernen seien, vgl. OLG Saarbrücken VersR 2011, 926.

Nicht vergessen! Der Vermieter haftet gesetzlich nach § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB verschuldensunabhängig für Schäden, deren Ursache bereits bei Mietvertragsabschluss bestand. Diese Haftung kann aber formularvertraglich ausgeschlossen werden.

Noreen Walther
Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 27/2017

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz