Die Vorteilsausgleichung beim Schadensersatzanspruch des Vermieters – der Abzug „neu für alt“
Regelmäßig haben sich Vermieter mit dem Problem der Beschädigung oder Verschlechterung der Mietwohnung als Folge der Überschreitung der Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs oder der Verletzung von Obhutspflichten durch den Mieter auseinanderzusetzen.
Nachdem die schwierige Frage geklärt wurde, ob überhaupt ein Schadensersatzanspruch des Vermieters gegenüber dem Mieter besteht, schließt sich das Problem der zulässigen Schadensersatzhöhe an. Hierbei gilt es u.a. zu beachten, dass der Vermieter regelmäßig nicht die gesamten Kosten für die Reparatur und Wiederherstellung der Mietsache dem Mieter in Rechnung stellen kann. So hat der Vermieter zum einen nur einen Anspruch auf Ersatz der notwendigen Kosten, wobei er sich jedoch nicht mit Flickwerk begnügen muss, sofern die Reparatur von einzelnen Flächen oder Teilen zu keinem ordnungsgemäßen Zustand führt. Dennoch ist beispielsweise bei auffälligen Schlagstellen an Waschbecken oder Badewanne vor deren Austausch zunächst zu prüfen, ob auch eine kostengünstigere Ausbesserung zu einem optisch und technisch ordentlichen Zustand führen würde.
Darüber hinaus hat sich der Vermieter im Wege der Vorteilsausgleichung einen Abzug „neu für alt“ anrechnen zu lassen, sofern Teile des Mietobjekts bei der Behebung der Beschädigung ersetzt werden müssen. Grund für die Vorteilsausgleichung ist, dass der Vermieter durch die Beschädigung und anschließende Erneuerung nicht bessergestellt werden und keine wirtschaftlichen Vorteile erhalten soll. Durch den Austausch von Teilen des Mietobjekts tritt grundsätzlich eine Wertsteigerung zugunsten des Vermieters ein, da die neuen Teile eine längere Lebensdauer aufweisen, was den Vermieter entsprechend entlastet.
Bei der Vorteilsausgleichung wird üblicherweise die bereits verstrichene Lebensdauer des zu ersetzenden Teils zu der üblicherweise erreichbaren Höchstlebensdauer ins Verhältnis gesetzt. Abzustellen ist grundsätzlich auf die bereits verstrichene Lebensdauer zum Zeitpunkt der Schadensverursachung, wobei es nicht nur auf den Nutzungszeitraum des schädigenden Mieters ankommt, sondern auf die Dauer, die seit Erwerb des beschädigten Teils insgesamt vergangen ist. Der Schadensersatzanspruch des Vermieters ist in der Folge im Verhältnis der verstrichenen Lebensdauer zur insgesamt möglichen Höchstlebensdauer zu kürzen.
Anders verhält es sich, wenn der Vermieter den Schadensersatzanspruch nicht unmittelbar nach der Beschädigung geltend macht, sondern erst mit Beendigung des Mietvertrages. In diesem Fall bemisst sich der Schadensersatz nach der verstrichenen Lebensdauer zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses, so dass es zu einer weiteren erheblichen Reduzierung des Schadensersatzanspruchs des Vermieters kommen kann.
Sofern die übliche Lebensdauer des zu ersetzenden Teils der Mietsache zum Zeitpunkt der Beschädigung oder der Beendigung des Mietvertrages bereits überschritten war, reduziert sich der Schadensersatzanspruch des Vermieters auf null und der Mieter ist zum Schadenersatz nicht verpflichtet. Dies wird damit begründet, dass die Beschädigung nicht mehr kausal für die Erneuerung ist, da diese nach Ablauf der Lebensdauer des beschädigten Teils ohnehin durch den Vermieter anstand (so LG Köln NZM 1999, 456).
Wichtig ist, dass sich die Vorteilsausgleichung nicht nur auf den reinen Sachwert des zu ersetzenden Teils erstreckt, sondern auch auf die Kosten für die Arbeiten und Zusatzleistungen, die für die Verwendungsfähigkeit des zu ersetzenden Teils erforderlich sind (bspw. Ausbau-, Entsorgungs- und Einbaukosten; OLG Koblenz vom 26.06.2003 – Az.: 5 U 192/03).
Beispiele für die von der Rechtsprechung angesetzte Lebensdauer:
- Teppichböden von mittlerer Qualität: 8-10 Jahre (LG Dortmund NJWE-MietR 1997,100; LG Kiel WuM 1998, 216)
- Schleifen und Versiegeln des Parketts: 12-15 Jahre, danach müssen die Tätigkeiten wiederholt werden (AG Köln WuM 1984,197);
- PVC-Beläge 8-10 Jahre, höchstens 15 bis 20 Jahre (LG Wiesbaden, WuM 1991, 540; AG Staufen WuM 1992, 430; AG Kassel WuM 1996, 757). Abzustellen ist auch hier stets auf den Einzelfall. So hat ein PVC-Boden in der Küche grundsätzlich aufgrund der höheren Beanspruchung eine deutliche höhere Abnutzung als bspw. ein PVC-Belag im Schlafzimmer, so dass auch die Lebensdauer entsprechend anzupassen ist;< > 10 bis maximal 13 Jahre, wobei je nach verwendeter Qualität Abweichungen nach unten und auch nach oben möglich sind;
- Laminatböden: 10 bis maximal 13 Jahre, wobei je nach verwendeter Qualität Abweichungen nach unten und auch nach oben möglich sind;
- Badewanne aus Stahlblech: ca. 23 Jahre (HmbGE 1979, 457);
- Waschbecken aus Porzellan oder Steingut: 20 Jahre (HmbGE 1979, 457);
- WC-Becken: 18 Jahre (HmbGE 1979, 457);
- Einbauküche: sofern einfache Industrieware: 15-25 Jahre (LG Berlin GE 2001, 1404). Bei sehr hochwertigen Küchen (bspw. Designer- oder Echtholzküchen) kann die Lebensdauer jedoch deutlich höher ausfallen;
- Bei Tapeten variieren die Ansichten über die Länge der Lebensdauer. So reicht die Spanne von 8-12 Jahren, so dass auf den Einzelfall abzustellen ist.
Zu beachten ist jedoch, dass für die Bestimmung der Lebensdauer keine festen Grundsätze existieren. So kommt es neben dem Alter auch auf die Beschaffenheit und Qualität des beschädigten Teils, mithin stets auf den Einzelfall an. Nicht abgestellt werden darf jedoch auf die technische Nutzungsdauer, da sich diese mit der Lebensdauer in der Regel nicht deckt. Entscheidend ist vielmehr die Zeit, während der noch von einem ansehnlichen Zustand ausgegangen werden kann. Zweifel über die Höhe der Vorteilsausgleichung gehen zu Lasten des beweispflichtigen Geschädigten, mithin des Vermieters.
Fallgestaltung:
Hat der 8 Jahre alte Teppichboden beim Auszug des Mieters Weinflecken, die auch bei einer Reinigung nicht entfernt werden können, so hat der Mieter bei Zugrundelegung einer Höchstlebensdauer von 10 Jahren grundsätzlich nur 2/10 der Kosten als Schadensersatz zu tragen. War der Teppich erst 2 Jahre alt, so ist der Schadensersatzanspruch des Vermieters grundsätzlich nur um 2/10 zu reduzieren, so dass der Mieter 8/10 der Kosten als Schadensersatz zu tragen hat.
Praxishinweise:
Für die Praxis empfiehlt es sich, Rechnungen oder Kostenvoranschläge zunächst dahingehend zu überprüfen, welche Tätigkeiten bzw. Kosten für die Beseitigung der Beschädigung tatsächlich notwendig waren und welcher Betrag nach Abzug „neu für alt“ von dem Mieter tatsächlich zu ersetzen ist. Nur diese Kosten sollten dem Mieter anschließend in Rechnung gestellt werden.
Des Weiteren sollten unabhängig von den gesetzlichen Aufbewahrungspflichten die Anschaffungsrechnungen, aus denen das Erwerbsdatum und damit das Alter des jeweiligen Teils der Mietsache hervorgehen, mindestens entsprechend der jeweiligen Höchstlebensdauer aufbewahrt werden. Im Falle eines Rechtsstreits fordern die Gerichte meist die Vorlage der einschlägigen Kaufbelege zum Nachweis der bereits verstrichenen Lebensdauer, für die der Vermieter die Beweislast trägt. Sofern dem Vermieter der Beweis nicht gelingt, so dass für das Gericht nicht feststellbar ist, ob die mögliche Höchstlebensdauer bereits überschritten ist, muss grundsätzlich mit der Abweisung der Schadensersatzklage gerechnet werden.
Eva-Maria Kreis
Rechtsanwältin
Kanzleiforum 12/2018
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz