Die Erbenhaftung für Forderungen aus dem Mietverhältnis bei unterlassener Kündigung
Mit Urteil vom 25.09.2019, Aktenz. VIII ZR 138/18, hat der BGH entschieden, dass der in das Mietverhältnis eintretende Erbe nicht bereits deshalb persönlich für die Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis haftet, wenn er versäumt hat, den Mietvertrag gemäß § 564 S. 2 BGB außerordentlich zu kündigen.
Sachverhalt
Der Entscheidung des BGH lag der Tod des Mieters einer im Eigentum des Klägers stehenden Wohnung zugrunde. Weder der Kläger, noch der Erbe kündigten das Mietverhältnis innerhalb der Monatsfrist des § 564 S. 2 BGB aufgrund des Todesfall außerordentlich, welche am 21.03.2015 endete. Erst nach Ablauf dieser Frist kündigte der Kläger das Mietverhältnis im April 2015 aufgrund des Ausbleibens von Mietzahlungen. Da der Beklagte die Wohnung nicht herausgab, erhob der Kläger gegen ihn erfolgreich Räumungsklage, welche dem Beklagten am 20.02.2015 mit der Mitteilung zugestellt wurde, dass alle anderen in Betracht kommenden Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben. Auf Antrag des Erben wurde im November 2015 die Nachlassverwaltung angeordnet. Im Januar 2016 fand die Zwangsräumung der Wohnung statt.
Mit einer weiteren Klage begehrte der Kläger von dem Erben die Zahlung der seit dem Ablauf der Kündigungsfrist des § 564 S. 2 BGB am 21.03.2019 bis Januar 2016 nicht gezahlten Mieten und Nutzungsentschädigung. Der Klage wurde erstinstanzlich stattgegeben. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision des Beklagten vor dem BGH.
Die Entscheidung des BGH
Die Frage, ob der Erbe, der eine Kündigung nach § 564 S. 2 BGB unterlässt, für die nach Ablauf der Kündigungsfrist entstehenden Forderungen aus dem Mietverhältnis persönlich haftet, war bisher stark umstritten. Diese Frage hat der BGH nun geklärt.
Der BGH stellte zunächst fest, dass das Mietverhältnis mit dem Beklagten als Alleinerbe des Mieters gemäß §§ 1922 Abs. 1, 564 S. 1, 563 Abs. 1, 2, 563 a BGB fortgesetzt wurde, da es keine Haushaltangehörige gab, die in das Mietverhältnis hätte eintreten oder es hätten fortsetzten können. Der Beklagte haftet daher nach § 1967 Abs. 1 BGB grundsätzlich für die aus dem Mietverhältnis stammenden Verbindlichkeiten als sog. Erblasserschulden. Diese unbeschränkte Erbenhaftung habe der Beklagte nach Ansicht des BGH durch die im November 2015 angeordnete Nachlassverwaltung jedoch wirksam beschränkt, sodass er mit seinem Vermögen für reine Nachlassverbindlichkeiten nicht mehr haften müsse. Eine Haftung des Erben selbst sei nach dem BGH nur für Verbindlichkeiten möglich, die der Erbe vor Anordnung der Nachlassverwaltung durch Maßnahmen der eigenen Nachlassverwaltung selbst begründet habe und für die er nicht nur wegen seiner Erbenstellung als solche, sondern auch persönlich hafte.
Letzteres treffe nach dem BGH auf Verbindlichkeiten zu, die der Erbe bei ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung eingeht. Diese sog. Nachlasserbenschulden haben eine Doppelnatur, sodass sie sowohl Eigenverbindlichkeiten des Erben als auch Nachlassverbindlichkeiten sind, für die der Erbe mit seinem Vermögen persönlich hafte. Für die Klärung der Frage nach einer Erbenhaftung ist es daher maßgebend, um welche Art von Schuld es sich handelt.
Nach Ansicht des BGH begründe die unterlassene Kündigung nach § 564 S. 1 BGB allein keine persönliche Haftung des Erben. Eine die Erbenhaftung auslösende Verwaltungsmaßnahme könne demnach rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Natur sein. Entscheidend sei, ob eigenes Verhalten des Erblassers Haftungsgrundlage ist. Nach § 564 S. 2 BGB ist sowohl der Erbe als auch der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen, nachdem sie vom Tod des Mieters und davon Kenntnis erlangt haben, dass ein Eintritt in das Mietverhältnis oder dessen Fortsetzung nicht erfolgt sind. Es ist bereits ständige Rechtsprechung des BGH, dass bei Ausübung des Kündigungsrechts die nach dem Erbfall bis zum Ende des Mietvertrags fällig werdenden Forderungen reine Nachlassverbindlichkeiten bleiben (So BGH v. 23.01.2013 – VIII ZR 68/12; BGH v. 26.08.2013 – XI ZR 3/13).
Die unterlassene Kündigung allein stellt nach Ansicht des BGH jedenfalls keine die Erbenhaftung auslösende Verwaltungsmaßnahme des Erben dar, die dazu führt, dass der Erbe für die nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werdende Forderungen aus dem Mietverhältnis persönlich haftet. Die unterlassene Kündigung enthalte keinen dem stillschweigenden Abschluss eines Mietvertrags gleichzusetzenden Erklärungswert. So sei der Erbe nach dem BGH nicht zur Kündigung des Mietvertrags verpflichtet, sondern § 564 S. 2 BGB gibt ihm lediglich die Möglichkeit zur Kündigung. § 564 S. 2 BGB schütze daher allein die Interessen der Parteien eines Mietvertrags an Neudispositionen, begründe jedoch bei Nichtausübung keine Erbenhaftung. Eine solche sei bereits mit dem Recht des Erben gemäß §§ 1943, 1944 BGB innerhalb von 6-Wochen darüber entscheiden zu können, ob er das Erbe annimmt oder ausschlägt, unvereinbar. So würde die 6-Wochen-Frist im Falle der Bejahung einer Erbenhaftung bei unterlassener Kündigung unterlaufen werden, weil § 564 S. 2 BGB für die Ausübung der Kündigung lediglich eine 4-Wochen-Frist vorsieht.
Die persönliche Erbenhaftung sei auch nicht zum Schutz des Vermieters geboten, da auch er das Mietverhältnis gemäß § 564 S. 2 BGB kündigen kann. Sofern der Erbe nach dem erstmaligen Ausbleiben der Miete die Einrede auf Dürftigkeit des Nachlasses erheben sollte, könne sich der Vermieter nach dem BGH zudem sogleich auf Unzumutbarkeit der Fortführung des Mietverhältnisses nach § 543 Abs. 1 BGB berufen und müsse entgegen § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB keine weiteren Nichtzahlungen abwarten.
Demgegenüber komme nach Ansicht des BGH eine Erbenhaftung jedoch dann in Betracht, wenn das Unterlassen des Erben Handlungsqualität hat und damit eine die Erbenhaftung auslösende Verwaltungsmaßnahme ist. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Erbe, so wie hier der Beklagte, vor Anordnung der Nachlassverwaltung dem fälligen Anspruch des Vermieters auf Herausgabe der Wohnung nach Vertragsbeendigung nicht nachkommt, obwohl für ihn nach §§ 546 Abs. 1, 985, 857 BGB eine Rechtspflicht zur Herausgabe besteht. Da im vorliegenden Rechtsstreit noch keine Feststellungen dazu getroffen wurden, wann der Herausgabeanspruch der Klägerin fällig war, hat der BGH die Sache diesbezüglich an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Im Übrigen hat der BGH das Berufungsurteil jedoch aufgehoben.
Praxishinweise
Aufgrund der Entscheidung des BGH sollten Vermieter nicht gestützt auf die Tatsache, dass der Erbe von seinem Kündigungsrecht nach § 564 S. 2 BGB keinen Gebrauch gemacht hat, von einer eigenen Vertragsbeendigung zu lange absehen, sondern beim Ausbleiben der Miete schnellstmöglich das Mietverhältnis beenden und ggf. das Räumungs- und Vollstreckungsverfahren einleiten. Sofern bereits von Beginn an zu erwarten ist, dass der Erbe keine Miete zahlen wird, sollte der Vermieter zur Vermeidung hoher Mietschulden, auf denen er wegen der Dürftigkeit des Nachlasses ggf. sitzen bleibt, selbst von seinem Kündigungsrecht nach § 564 S. 2 BGB Gebrauch machen und sich nicht auf eine Kündigung durch den Erben verlassen.
Eva-Maria Meichsner
Rechtsanwältin
Aktuelle Information Nr. 43/2019
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz