Handlungsbefugnisse und –pflichten des WEG-Verwalters bei Anfechtungsklagen – Teil 3 –
Im vorletzten Teil der Fortsetzungsreihe (Teil 1 im Juni 2011, Teil 2 im März 2012) folgen nun Ausführungen zur Streitwertberechnung sowie zum Abschluss von Zusatzhonorarvereinbarungen mit Anwälten.
1. Streitwertfestsetzung bei Anfechtungsklagen
Die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten berechnen sich anhand des zugrunde liegenden Streitwertes nach gesetzlich im Gerichtskostengesetz (GKG) bzw. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) festgelegten Gebührentatbeständen. Je bedeutender der wirtschaftliche Wert des Streitgegenstandes, desto höher sind auch die Kosten. Die Streitwertfestlegung bei Zahlungsklagen richtet sich offenkundig nach dem Wert der eingeklagten Forderung. Schwieriger ist es aber, die Interessen der Parteien bei Beschlussanfechtungen zu ermitteln.
§ 49 a GKG regelt dazu:
„(1) Der Streitwert ist auf 50 Prozent des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Er darf das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten. Der Wert darf in keinem Fall den Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen übersteigen.
(2) Richtet sich eine Klage gegen einzelne Wohnungseigentümer, darf der Streitwert das Fünffache des Wertes ihres Interesses sowie des Interesses der auf ihrer Seite Beigetretenen nicht übersteigen. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.“
Anders als sonst im Zivilprozess kommt es also nicht nur auf das Interesse des Klägers sondern auch auf das Interesse der Gegenpartei und sämtlicher Beigeladener an, weil die Entscheidung eben auch Auswirkungen auf diese hat, vgl. Binz / Dörndorfer / Petzold / Zimmermann, Gerichtskostengesetz, 2. Auflage 2009.
Beispiel:
Wohnungseigentümer A erhebt Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Gemeinschaft (10 Eigentümer) über die Durchführung einer baulichen Veränderung mit Kosten von insgesamt 5000 €.
Lösung:
Schritt 1: Gesamtinteresse der Parteien 5000 €;
Schritt 2: Begrenzung des Streitwertes jedoch auf fünffaches Eigeninteresse des Klägers (5000 : 10 = 500 x 5 = 2500 €. Weitere Begrenzungen nach § 49 a GKG entfallen hier. Streitwert: 2500 €.
Die Rechtsprechung ist hinsichtlich der Anwendung des § 49 a GKG in der Praxis noch nicht gefestigt. Einige Beispiele:
- 1000 € Streitwert mangels näherer Anhaltspunkte (mögliche Ansprüche) bei Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Verwalters, BGH 31.03.2011, Az. V ZB 236/10
- Anfechtung der Verwalterwahl: Streitwert entsprechend des finanziellen Anteils des Klägers an den Verwalterkosten während der gesamten Laufzeit des Verwaltervertrages, LG Nürnberg-Fürth, 13.04.2010, Az. 14 T 2469/10 WEG
- Anfechtung einer Jahresabrechnung:
- Prüfung ob sich die Anfechtung auf eine/einzelne Kostenposition(en) beschränkt, LG Lüneburg Az. 9 T 4/12; a.A.: immer nur auf Wert der streitigen Positionen abstellen: OLG Celle Az. 4 W 243/10; OLG Saarbrücken Az. 5 W 109/09
- bei Anfechtung bezogen auf Gesamtkosten: pauschal 20 % begrenzt auf fünffaches Klägerinteresse – LG Itzehoe Az. 11 S 16/11; a.A. max. 10 % des Gesamtvolumens, LG Stuttgart Az. 19 T 12/11; a.A. 50 % der abgerechneten Kosten LG Berlin Az. 85 T 129/11; a.A. für strenge Anwendung des § 49 a GKG: LG Braunschweig, Az. 6 T 39/11; a.A. Eigeninteresse des Klägers zuzüglich eines Bruchteils von 25 % des – abzüglich des Einzelinteresses des Klägers – verbleibenden Gesamtinteresses – OLG Hamburg, Az. 9 W 34/10
- Einige Gerichte ignorieren in der Praxis aber auch den § 49 a GKG und setzten den Streitwert „nach Ermessen“ oder schlicht aufgrund der Angaben der Parteien zum Streitwert fest.
2. Abschluss von Honorarvereinbarungen
Gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 Nr. 6 WEG darf der Verwalter in bestimmten Fällen mit Rechtsanwälten vereinbaren, „sich die Gebühren nach einem höheren als dem gesetzlichen Streitwert, höchstens nach einem gemäß § 49 a Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes bestimmten Streitwert bemessen“ (mithin max. 50 % des Interesse der Parteien und aller Beigeladener). Der Gesetzgeber hatte nämlich erkannt, dass es für die beklagten Eigentümer schwer sein wird, einen Rechtsanwalt zu finden, der auf der Basis der nunmehr geringeren Streitwerte zur Tätigkeit bereit ist. „Ist etwa der Beschluss der Wohnungseigentümer aus einer Gemeinschaft mit 100 Eigentümern über eine Sanierungsmaßnahme, die Kosten in Höhe von 100 000 Euro verursacht, von einem Miteigentümer angefochten, auf den durch die Sanierung Kosten in Höhe von 1000 Euro zukämen, beträgt der Streitwert nach der zu § 49 a – neu – GKG vorgeschlagenen Regelung 5000 Euro, nämlich das Fünffache seines Interesses von 1000 Euro. Dieser Streitwert würde auch für den Rechtsanwalt gelten, der die übrigen, die Sanierungsmaßnahme bejahenden Eigentümer vertritt, obwohl deren Interesse an der gerichtlichen Entscheidung 100 000 Euro entspricht“, Bundestagsdrucksache 16/887, S. 77. Der Verwalter soll nun – ohne vorherige Beschlussfassung – gesetzlich ermächtigt sein, mit dem Rechtsanwalt der Beklagten zu vereinbaren, dass dieser seine Gebühren auf der Basis eines Streitwertes von 50.000 Euro (50 % des Interesses aller) abrechnet.
Zulässig sind nach dem Wortlaut aber nur Streitwertvereinbarungen, keine Honorarvereinbarungen auf der Basis von Pauschalen oder Zeithonorarvereinbarungen. Man wird hier jedoch annehmen dürfen, dass diese Vereinbarungen wirksam sind, sofern sie eine Höchstgrenze entsprechend § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG enthalten.
Darüber hinausgehend bedarf es einer gesonderten Ermächtigung der Eigentümer.
Noreen Walther
Rechtsanwältin
im Kanzleiforum 09/2012
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz