Aktuelle Urteile zur Anordnung von Nachlasspflegschaften nach dem Tod eines vermögenslosen Wohnraummieters
Verstirbt der einzige Wohnraummieter, regeln die Bestimmungen des §§ 563-564 BGB die Eintrittsrechte von Ehegatten, Lebenspartnern, Haushaltsangehörigen bzw. Erben in das Mietverhältnis anstelle des verstorbenen Mieters. Sind derartige Personen jedoch nicht bekannt und wird auch keine Miete weiter an den Vermieter geleitstet, ist letzterer i.d.R. an der kurzfristigen Beendigung des Mietvertrages und alsbaldigen Zurückerlangung der Wohnung interessiert. Die schlichte Wiederinbesitznahme durch den Vermieter wäre jedoch rechtswidrig, da er dadurch eventuell in die Rechte von ihm noch nicht bekannten Erben eingreifen, somit ggf. Hausfriedensbruch oder gar Unterschlagung oder Sachbeschädigung begehen würde, wenn er die Wohnung beräumt, Inventar entsorgt bzw. zum Zwecke der Deckung offener Schulden veräußert.
Aus diesem Grunde ist es erforderlich, gegenüber einer empfangsbereiten und hierfür auch rechtlich zuständigen Person die Beendigung des Mietverhältnisses zu erklären und von dieser die Besitzaufgabeerklärung zu erhalten. Da sich die Erbenermittlung ggf. über viele Monate oder gar Jahre hinziehen kann, bietet das Gesetz für diesen Fall die Bestellung einer Nachlasspflegschaft gemäß §§ 1960, 1961 BGB an.
Die örtlichen Amtsgerichte verweigern jedoch häufig die Bestellung eines Nachlasspflegers mit Verweis auf die Möglichkeit der Geltendmachung des Vermieterpfandrechts oder aber auch wegen Vermögenslosigkeit des Nachlasses.
Der Verweis auf das Vermieterpfandrecht ist zunächst rechtlich nicht zutreffend, da dies gemäß §§ 562 ff. lediglich an pfändbaren Einrichtungsgegenständen des Mieters ausgeübt werden könnte. Der übliche Hausrat ist in der Regel nicht pfändbar.
Die Vermögenslosigkeit ist wiederum kein Kriterium, das die Ablehnung eines Antrages auf Anordnung der Nachlasspflegschaft rechtfertigt. Dies hat unlängst das Oberlandesgericht Zweibrücken im Beschluss vom 07.05.2015 zu Az. 8 W 49/15 entschieden. Die Werthaltigkeit des Nachlasses sei irrelevant. Erforderlich sei lediglich, dass die Person des Erben unbekannt ist oder ungewiss sei, ob er die Erbschaft annehmen werde. Der Gesetzestext sei insoweit eindeutig. Es bestehe also kein Ermessen des Gerichts sondern dem Antrag sei bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zwingend stattzugeben. Ein Sicherungsbedürfnis am Nachlass müsse gerade nicht bestehen, es genüge ein Rechtsschutzbedürfnis des antragstellenden Vermieters.
Bereits im Beschluss vom 09.12.2009 zu Az. 3 W 1133/09 hatte auch das Oberlandesgericht Dresden entschieden, dass das Rechtsschutzinteresse des Vermieters auf Bestellung eines Nachlasspflegers auf der Hand liege, weil dieser anderenfalls das Mietverhältnis nicht kündigen und somit keine Grundlage für die ggf. erforderliche Räumungsklage schaffen könne. Die Gläubiger müssten weder Vorschuss leisten noch sei eine ausreichende Sicherung durch Nachlassmittel erforderlich. Denn nach § 6 Satz 1 Kostenordnung haften für die Kosten allein die Erben.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln im Beschluss vom 10.12.2010 zu Az. 2 Wx 198/10 sei es auch nicht erforderlich, dass der Vermieter seine Ansprüche sogleich gerichtlich geltend machen wolle. Der Vermieter hat in diesem Fall vorgetragen, mit dem Nachlasspfleger zunächst gütlich die Inbesitznahme und Räumung der Wohnung verhandeln zu wollen. In diesem Falle dürfe der Nachlasspfleger auch nicht beschränkt auf den Wirkungskreis der Beendigung des Mietverhältnisses bestellt werden. Sondern die Bestellung müsse die Vertretung des unbekannten Erben bei Beendigung und Abwicklung des Mietverhältnisses umfassen, so bereits das OLG München im Beschluss vom 20.03.2012 zu Az. 31 Wx 81/12.
Die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung ist somit recht eindeutig, unterscheidet sich aber gravierend von der Rechtsprechung der erstinstanzlichen Amtsgerichte. Insoweit sei dringend empfohlen, einem ablehnenden Antrag durch Einlegung einer Beschwerde Abhilfe zu verschaffen.
Des Weiteren ist dringend von der eigenmächtigen Inbesitznahme nicht beräumten Wohnraums bei ungeklärten Rechtsverhältnissen abzuraten. Der BGH hatte bekanntlich bereits im Urteil vom 14.07.2010 zu Az. VIII ZR 45/09 entschieden, dass die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und eigenmächtiges Ausräumen eine unerlaubte Selbsthilfe des Vermieters darstelle, für deren Folgen dieser verschuldensunabhängig nach § 231 BGB hafte. Auf die strafrechtlichen Fragen musste der BGH in dieser Entscheidung nicht näher eingehen.
Noreen Walther
Rechtsanwältin
Aktuelle Information Nr. 21/2016
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz