Aufrechnung der Kaution trotz Verjährung
Der BGH hat mit Urteil vom 10.07.2024, Aktenz. VIII ZR 184/23, entschieden, dass der Vermieter auch nach Ablauf der 6-monatigen-Verjährungsfrist aus § 548 Abs. 1 BGB wirksam die Aufrechnung der Barkaution mit Schadenersatzansprüchen aufgrund Beschädigung der erklären kann, ohne vorher von seiner Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Gebrauch machen zu müssen.
Sachverhalt
Nach Beendigung des Mietverhältnisses rechnete der Vermieter erst nach mehr als 6 Monate über die bei Mietbeginn geleistete Barkaution ab und verrechnete diese mit ihm zustehenden Schadenersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache. In der Folge reichte die Mieterin Klage auf Auszahlung der von ihr geleisteten Kaution ein und erhob in Verfahren die Einrede der Verjährung.
Das Amtsgericht Erlangen hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Vermieters ist ohne Erfolg geblieben. Gemäß § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, kann nach § 390 BGB nicht aufgerechnet werden.
Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Gläubiger eines Schadenersatzanspruchs wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dem Gläubiger steht insoweit eine Ersetzungsbefugnis zu. Das gilt auch für den Vermieter bei Schäden an der Mietsache. Der vor der Ersetzung bestehende Anspruch auf Herstellung des mangelfreien Zustands ist mit einer Geldforderung, wie dem Anspruch auf Kautionsrückzahlung, jedoch nicht gleichartig, sodass eine Aufrechnung ausscheidet. Eine Aufrechnung ist vielmehr erst dann möglich, wenn der Gläubiger von seiner Ersetzungsbefugnis Gebrauch gemacht hat und statt der Herstellung Schadenersatz in Geld verlangt. Erst ab diesem Moment stehen sich zwei aufrechenbare Forderungen erstmalig gegenüber. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen einer möglichen Anspruchsverjährung deshalb so wichtig, da nach § 215 BGB die Aufrechnung aufgrund Verjährung nicht ausgeschlossen ist, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals hätte aufgerechnet werden konnte.
Im Rahmen der Ersetzungsbefugnis des Vermieters bestand bisher aufgrund der kurzen Sonderverjährungsfrist nach § 548 BGB Uneinigkeit über die Anwendung von § 215 BGB und damit über die Wirksamkeit einer Aufrechnung, wenn der Vermieter von seiner Ersetzungsbefugnis erst nach Eintritt der Verjährung seines Schadenersatzanspruchs Gebrauch gemacht hat. Nach Ansicht des AG Erlangen und des LG Nürnberg sei eine Aufrechnung ausgeschlossen, da sich keine gleichartigen Forderungen in unverjährter Zeit gegenübergestanden haben.
Die Entscheidung des BGH
Den Streit hat der BGH mit seinem Urteil vom 10.07.2024 nunmehr für die im Wohnraummietvertrag getroffene Barkautionsabrede beendet. Nach Ansicht des BGHs sei § 215 BGB auch dann anwendbar, wenn der Vermieter seine Ersetzungsbefugnis erst nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB ausgeübt hat. So diene die Barkaution der Sicherung von Ansprüchen des Vermieters, damit sich dieser nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung befriedigen kann, ohne auf eine Schadensbeseitigung durch den Mieter angewiesen zu sein. So würden Vermieter in der Regel ein Interesse daran haben, Schäden an der Mietsache möglichst zeitnahe und fachgerechte zu alsbaldigen Weitervermietung selbst zu beseitigen. Hiervon profitiere regelmäßig auch der Mieter, der nicht mit einer Wiederherstellung belastet wird. Ein Ausschluss von § 215 BGB aufgrund verspäteter Ausübung der Ersetzungsbefugnis würde nach Meinung des BGHs daher dem Sinn und Zweck der Kautionsabrede und den beidseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietvertrages widersprechen.
Zudem sei die Ausübung der Ersetzung an keine bestimmten formellen Hürden geknüpft. So müssen weder Gründe angegeben, näherer Absprachen mit dem Schädiger geführt oder der nunmehr verlangte Geldbetrag beziffert werden. Auch habe der Vermieter für die Abrechnung der Mietkaution eine angemessene Überlegungs- und Abrechnungszeit, deren Länge sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimme und auch länger als sechs Monate betragen könne. Im Falle des Ausschlusses von § 215 BGB wäre der Vermieter gezwungen, bereits vor Ablauf der Abrechnungsfrist seine Ersetzungsbefugnis isoliert innerhalb der 6-monatigen Verjährungsfrist auszuüben, obwohl der Mieter daran regelmäßig kein Interesse habe, da er bis zur abschließenden Kautionsabrechnung dennoch nicht wisse, ob und in welcher Höhe sich der Vermieter auf Schadenersatzansprüche berufe.
Daher bestehe kein berechtigtes Vertrauen des Mieters, nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr im Wege der Aufrechnung wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in Anspruch genommen zu werden, solange der Vermieter noch keine Kautionsabrechnung erteilt habe.
Eva-Maria Meichsner
Rechtsanwältin