Bei außerordentlicher Kündigung des Bauvertrages können Kündigungsgründe nachgeschoben werden
Der für Baurecht zuständige Senat des BGH hat in einem Beschluss vom 11.10.2017 unter dem Az. VII ZR 46/15 entschieden, dass bei einer Kündigung eines privaten Bauvertrags unter Einbeziehung der VOB/B aus wichtigem Grund Kündigungsgründe nachgeschoben werden können.
Sachverhalt:
Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit Fensterbauarbeiten und mit der Errichtung der Glasfassade einer Sporthalle. Dabei vereinbarten die Parteien die Geltung der VOB/B. Nachdem es zu Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Ausführung der vereinbarten Leistungen gekommen war, forderte die Klägerin mit Anwaltsschreiben die Beklagte auf, unter Fristsetzung die Absturzgefahr von Bauteilen zu beseitigen. Zugleich forderte die Klägerin zur Beseitigung von weiteren Ausführungsmängeln unter Fristsetzung auf. Mit einem weiteren Anwaltsschreiben wurde die Beklagte unter Fristsetzung aufgefordert, Produktnachweise, eine prüffähige Statik und einen Bauablaufplan vorzulegen. Nachdem die gesetzte Frist aus dem 2. Anwaltsschreiben abgelaufen war, entzog die Klägerin der Beklagten den Auftrag und forderte sie zur gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes auf. Die Kündigung wurde dabei ausschließlich auf die im 2. Anwaltsschreiben benannten Kündigungsgründe gestützt.
Die Klägerin macht mit der Klage Schadenersatz in Höhe der Mehrkosten geltend, die durch den Abbau der Teilleistungen der Beklagten sowie durch die Kosten für den Neubau der Glasfassade und für die weitere Mangelbeseitigung entstanden sind.
Die Entscheidung:
Der BGH geht, anders als das Berufungsgericht, von der Wirksamkeit der Kündigung aus. Das Berufungsgericht war davon ausgegangen, dass die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung nicht wirksam gewesen sei. Eine Auftragsentziehung sei zwar nach § 4 Nr. 7 VOB/B möglich gewesen, da die Leistungen der Beklagten unstreitig mangelhaft gewesen seien, jedoch habe die Klägerin der Beklagten nicht wegen mangelhafter oder vertragswidriger Leistungen gekündigt, sondern weil die Beklagte innerhalb der ihr gesetzten Frist die geforderten Unterlagen/Nachweise nicht vorgelegt habe. Zur Vorlage der Unterlagen sei die Beklagte jedoch nicht verpflichtet gewesen, da diese vertraglich nicht geschuldet waren.
Darauf gestützt ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kündigung nicht auf die im 1. Anwaltsschreiben aufgeführten Mängelrügen gestützt werden kann, da diese im Kündigungsschreiben nicht in Bezug genommen wurden.
Der BGH geht hingegen davon aus, dass ein Nachschieben von Kündigungsgründen durch den Auftraggeber auch noch nach der Kündigung des Auftragnehmers bzw. nach der Selbstvornahme des Auftraggebers erfolgen kann. Aus dem Umstand, dass eine Kündigung nicht begründet werden muss, ergibt sich zwangsläufig, dass Kündigungsgründe jederzeit nachgeschoben werden können, sofern sie im Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen haben.
Praxishinweise:
Entscheidende Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung gemäß § 8 Nr. 3 i.V.m. § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) auf der Grundlage nachgeschobener Kündigungsgründe ist, dass sämtliche Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung im Kündigungszeitpunkt vorgelegen haben. Demzufolge muss eine Mangelanzeige mit Fristsetzung erfolgt sein und die Auftragsentziehung angedroht worden sein. Insbesondere eine versäumte Fristsetzung kann später nicht nachgeholt werden. Soweit die Voraussetzungen für die Kündigung im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorgelegen haben, können die Kündigungsgründe noch nachgeschoben werden.
Wichtig ist daher in jedem Fall, bereits bei der Formulierung der Mängelanzeige zu berücksichtigen, welche Rechtsfolgen aus einer Missachtung der Mängelanzeige gezogen werden sollen. In jedem Fall sollte eine angemessene Frist für die Mangelbeseitigung gesetzt werden.
Durch die Einführung des neuen Bauvertragsrechts zum 01.01.2018 wird auch die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund bei Bauverträgen gesetzlich geregelt. Gemäß dem neuen § 648a BGB ist, wenn die der wichtige Grund in einer Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht, die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Zudem kann der Berechtigte die Kündigung nur innerhalb einer angemessenen Frist erklären, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.
Derzeit verwendete Bauvertragsmuster sind hinsichtlich etwaiger Kündigungsregelungen dahingehend zu überprüfen, ob sie gegen den Kerngehalt des neuen § 648a BGB verstoßen und daher eventuell in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sein könnten.
Wegen der anstehenden Änderungen im BGB wird auch kurzfristig die VOB/B geändert werden. Soweit Verträge auf der Basis der VOB/B verwendet werden, sollte auch hier eine Prüfung der derzeit verwendeten Vertragsmuster erfolgen.
Martin Alter
Rechtsanwalt
Aktuelle Information Nr. 45/2017
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz