Heizkostenabrechnung: Selbstablesung sticht Schätzung
Der Jahreswechsel steht kurz bevor und Deutschland befindet sich in diesem Jahr nicht nur in der üblichen Pause „zwischen den Feiertagen“, sondern auch im coronabedingten Lockdown. Für Mieter, Eigentümer, Vermieter und Messdienste stellt sich die Frage, wie die Verbrauchsablesung zum Stichtag 31.12.2020 unter Berücksichtigung von Abstandsgeboten, Kontaktsperren und Quarantänebestimmungen durchgeführt werden kann.
Glücklich kann sich schätzten, wer bereits über fernablesbare Verbrauchserfassungsgeräte verfügt. Bei diesen Liegenschaften ist ein Betreten der Wohnung für die Ablesung nicht notwendig. Bei allen anderen ist jedoch zu klären, wie der Abrechner an die Ablesewerte gelangt.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Schätzungen auf maximal 25 % der Liegenschaftsfläche beschränkt sind (§ 9a Abs. 2 HeizKV). Zudem ist fraglich, ob für fehlende Ablesewerte einfach auf eine Schätzung zurückgegriffen werden kann.
In einem vom AG Hamburg-Altona entschiedenen Fall (Urteil vom 10.04.2018 – 303c C 18/17) wurden in einer Jahresabrechnung einer WEG in die Heizkostenabrechnung nach HeizKV für eine Wohnung Schätzwerte eingestellt. Nach Erstellung der Abrechnung sendete der Wohnungsnutzer selbstabgelesene Werte zu, die jedoch nicht mehr in die Abrechnung eingeflossen sind. Das Gericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass die Abrechnung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, da die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht vorlagen.
Eine Schätzung ist zulässig, wenn ein Erfassungsgerät ausgefallen ist oder ein „anderer zwingender Grund“ vorliegt. Ein anderer zwingender Grund kann nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 16.11.2005 – VIII ZR 373/04) z.B. auch ein unwiederbringlicher Verlust der Werte sein. Voraussetzung dürfte jedoch sein, dass tatsächlich die Werte nicht mehr nachträglich beschaffbar sind. Bei einem fehlenden Zugang zur Wohnung geht die Rechtsprechung in der Regel von der fehlenden Beschaffbarkeit aus. Jedoch wird bei wiederholter Zugangsverweigerung teilweise auch gefordert, dann den Zugang für die Ablesung gerichtlich durchzusetzen.
Jedenfalls ging das AG Hamburg-Altona inhaltlich korrekt davon aus, dass kein Grund für eine Schätzung vorliegt, wenn eine Selbstablesung stattgefunden hat und die Ablesewerte übermittelt wurden.
Da in diesem Jahr viele Vermieter und Mieter eine Selbstablesung wegen der Kontaktbeschränkungen wünschen, sollten Selbstablesungen, trotz der darin liegenden Fehleranfälligkeit ermöglicht werden. Wohnungsnutzer sollten dazu eine Anleitung für die Selbstablesung und geeignete Wege zur Datenübermittlung erhalten. Zwar ist eine Rücksendung per Postkarte auch heute noch legitim, deutlich höheren Komfort für Mieter bietet jedoch die Übermittlung über ein dafür bereitgestelltes Portal.
Ein Beispiel für eine Portallösung, die in Zusammenarbeit mit unserer Kanzlei entwickelt wurde, findet sich unter www.selbstablesen.de.
gez. Martin Alter
Rechtsanwalt