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Unwirksamkeit von Lösungsklauseln wegen Insolvenzeröffnung

Am 15.11.2012 hat der 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entschieden, dass sog. Lösungsklauseln, die den Bestand eines Vertrages an die Insolvenzantragstellung oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens knüpfen, unwirksam sind (Az.: IX ZR 169/11, Urteil vom 15.11.2012).

Sachverhalt und gerichtliche Entscheidung:

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter die Zahlung von Energielieferungen, welche nach Insolvenzantragstellung des gewerblichen Kunden mit dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter neu und zu höheren Preisen vereinbart worden waren. Grund war das „automatische“ Ende des ursprünglichen Energielieferungsvertrages, dessen Laufzeit an die Stellung eines Insolvenzantrages bzw. die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gekoppelt war (Lösungsklausel).

Der BGH bestätigte in seiner Entscheidung in letzter Instanz, dass der ursprüngliche Vertrag mit den niedrigeren Strompreisen nicht unwirksam wurde, da die Lösungsklausel das Wahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO, das Unternehmen möglicherweise mit einer vorhandenen Insolvenzmasse fortzuführen, ausschließt. Weiterhin merkt der BGH an, dass die Lösung von Verträgen in diesen Fällen nur aufgrund gesetzlicher Vorgaben erfolgen können, um die Insolvenzmasse schützen zu können und eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger gewährleisten zu können. Der Insolvenzverwalter ist daher berechtigt, alte Verträge über die fortdauernde Lieferung von Waren oder Energie bis zur Erklärung über die Nichterfüllung des Vertrages (§ 103 InsO) zu den alten Konditionen weiterzuführen, selbst wenn Verbindlichkeiten gegen den Lieferanten bestehen.

Folgen für die Praxis:

Dies bedeutet für die Energieunternehmen bzw. Lieferanten von fortlaufenden Warenlieferungen, dass diese trotz aufgelaufener Rückstände des insolventen Kunden auch an den den Betrieb weiterführenden Insolvenzverwalter vertragsgemäß leisten müssen, sofern dieser nicht die Erklärung nach § 103 InsO abgibt. Gleichwohl sind insolvenzunabhängige Lösungsklauseln, die an den allgemeinen Zahlungsverzug oder sonstige Vertragsverletzungen anknüpfen, weiterhin wirksam, so dass Verträge aus diesen Gründen trotz Insolvenzantragstellung / -verfahrenseröffnung regelkonform beendet werden können.

Beachtenswert ist nach dieser Entscheidung auch die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B, da eine hierauf gestützte außerordentliche Kündigung durch den Auftraggeber  wegen Zahlungsverzug oder Insolvenzantrags des Auftragnehmers zukünftig ebenfalls nicht mehr wirksam möglich sein könnte. An dieser Stelle muss zeitnah mit dem Auftragnehmer/ vorläufigen Insolvenzverwalter über insolvenzrechtlich wirksame Kündigungsgründe verhandelt werden. Obgleich die obige Entscheidung Bau- und Werkverträge nicht ausdrücklich nennt, ist einzelnen Passagen des Urteils diese Ausstrahlung aber durchaus zu entnehmen. Empfehlenswert ist daher, sämtliche Verträge, die die fortdauernde Lieferung von Waren oder Energie zum Inhalt haben, auf Lösungsklauseln und deren Wirksamkeit überprüfen zu lassen.

Sebastian Tempel
Rechtsanwalt