>

Aktuelle Entscheidungen aus dem Bereich des Grundstücksrechts

In diesem Beitrag werden aktuelle Entscheidungen dargestellt, die sich mit Beseitigungs- und Schadenersatzansprüchen befassen, welche aus dem Eindringen von Niederschlags- und Leitungswasser resultieren sowie im Zusammenhang mit Anpflanzungen bestehen können.

1. BGH, Urteil vom 15.07.2011, Az.: V ZR 277/10

In der Entscheidung ging es um Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche durch vom Nachbargrundstück in die Gebäudemauer eindringendes Wasser, wobei der Beklagte bereits einen Handwerker mit der Beseitigung der Ursache beauftragt hatte, die notwendigen Arbeiten jedoch noch nicht durchgeführt worden waren.

Die Grundstückseigentümer sind durch landesrechtliche Regelungen zur Ableitung von Niederschlagswasser – in Sachsen § 25 Sächsisches Nachbarrechtsgesetz (SächsNRG) – geschützt. Ein Verstoß gegen die landesrechtliche Regelung und das Eindringen von Wasser stellt eine rechtswidrige Einwirkung auf das Eigentum dar, die Beseitigungs- und Schadenersatzansprüche nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2 BGB begründet. Die landesrechtliche Regelung stellt dabei ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB da.

Der BGH stellte klar, dass die §§ 905 ff BGB nur Pflicht auf gegenseitige Rücksichtnahme konkretisieren, aber keine selbständige Grundlage für Rechte und Pflichten bilden, so dass sich aus diesen Vorschriften kein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Nachbarn ableiten lässt. Damit kann das Verschulden des störenden Grundstückseigentümers entfallen, wenn er einen Dritten mit der Beseitigung der Störung beauftragt und es zur Eigentumsverletzung kommt, weil der Dritte die Arbeiten nicht ausgeführt hat. Mangels gesetzlichen Schuldverhältnisses stellt der Handwerker keinen Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB dar, dessen Verschulden er zu vertreten hat. Ein selbständiger Handwerker ist in der Regel auch kein Verrichtungsgehilfe des Verursachers gemäß § 831 BGB.

Der daneben selbständiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfasst auch Grobimmissionen in Form von Niederschlags- und Leitungswasser. Für den Anspruch ist es u. a. erforderlich, dass der betroffener Eigentümer aus besonderen Gründen die die Immission nicht nach § 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden konnte. Dies ist nach Auffassung des BGB dann der Fall, wenn er auf Zusage des Nachbarn vertraut hat, dass dieser die Beseitigung vornehmen lässt.

2. OLG Koblenz, Urteil vom 01.06.2011, Az.: 1 U 1299/10

Das OLG Koblenz musste einen Fall entscheiden, in dem die Beklagte Eigentümerin des Nachbargrundstücks des Klägers ist und die eigentliche Ursache des Abfließens von erheblichen Wassermengen auf dem Nachbargrundstück der Beklagten gesetzt war und das Wasser über das Grundstück der Beklagten auf das Grundstück des Klägers abfloss und dort Schäden verursachte.

Das Gericht hat entschieden, dass in diesem Fall die Beklagte als mittelbare Störerin vom Kläger in Anspruch genommen werden kann, wenn sie die durch Naturereignisse ausgelösten Störungen durch eigene Handlungen ermöglicht oder pflichtwidrig nicht verhindert hat und damit ihr die Beeinträchtigung zuzurechnen ist.

3. OLG Dresden, Urteil vom 30.08.2011, Az.: 14 U 367/11

Das Gericht stellte noch einmal klar, dass für Anpflanzungen aus DDR-Zeiten nach dem 31.12.2005 kein Beseitigungsanspruch aus § 14 SächsNRG mehr besteht, da dieses Ansprüche wegen Ablaufs der 5-Jahres-Frist nach § 15 SächsNRG ausgeschlossen sind. Auch die Aufhebung dieser Vorschrift im Jahre 2009 ändert daran nichts. Seit 2009 gilt für diesen Anspruch die gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 31 Abs. 1 SächsNRG.

Nach Ablauf der Ausschlussfrist – bzw. danach nach Erheben der Verjährungseinrede – kann nur „in Ausnahmefällen noch die Beseitigung oder Rückschnitt der ursprünglich rechtswidrigen Anpflanzung gefordert werden, wenn das Höhenwachstum oder nicht eingehaltene Grenzabstand zu zusätzlichen, darüber hinausgehenden Schäden führt, die ungewöhnlich schwer und nicht hinnehmbar sind“. Ein solcher Anspruch ergibt sich dann aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis, wird aber in der Praxis nur sehr selten vorkommen. Daneben können jedoch selbstverständlich Ansprüche aus den §§ 910, 1004 BGB bestehen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen.

4. LG Köln, Urteil vom 11.08.2011, Az.: 6 S 285/10

Das Gericht urteilte, dass über die Grundstücksgrenze ragende Äste eine Eigentumsverletzung darstellen können, die einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz BGB begründen. Daneben hat der betroffene Eigentümer aber auch das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn eine Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks durch den Überwuchs vorliegt. Auch bei Ausübung des Selbsthilferechts kann der betroffener Eigentümer daneben die Folgekosten der Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 1004 BGB geltend machen und damit z. B. außergerichtliche Rechtsanwaltskosten erstattet verlangen.

5. Fazit

Im Bereich der Beeinträchtigung benachbarter Grundstücke sind die einzelnen Ansprüche, die auf Beseitigung oder Schadenersatz gerichtet und die unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen aus dem BGB selbst wie auch den landesrechtlichen Nachbarrechtsgesetzen sauber zu trennen. Hinsichtlich weiterer Probleme im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung von Grenzabständen und Überwuchs verweisen wir auf den Artikel in unserem Kanzleiforum in der Ausgabe Dezember 2008.

Jana Lippmann
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 03/2012

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz