>

Die Gewerberaummiete in der Corona-Krise – ein Abriss der wichtigsten Problempunkte

Die COVID-19-Pandemie hat Deutschland und die Welt vor ungeahnte Probleme gestellt. Neben persönlichen Einschnitten, wie Kontaktverboten, Ausgangsbeschränkungen etc., haben die Folgen der Corona-Krise insbesondere die Wirtschaft stark getroffen. Geschlossene Geschäfte, Auftragsstornierungen, Umsatzrückgänge, Kurzarbeit – um nur ein paar Auswirkungen zu nennen – waren bzw. sind an der Tagesordnung. Die wirtschaftlichen Belastungen haben selbstverständlich auch erhebliche Folgen für die damit verbundenen Gewerberaummietverträge. Wie die Corona-Folgen mietrechtlich zu behandeln sind, richtet sich in erster Linie nach den vertraglichen Vereinbarungen. Fehlen solche oder sind sie als AGB unwirksam, greifen die gesetzlichen Regelungen. Die vom Gesetzgeber neu eingeführten Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie bestimmen u.a., dass ein Mietverhältnis bis zum Ablauf des 30.06.2022 nicht gekündigt werden kann, wenn der Mieter nachweislich aufgrund der COVID-19-Pandemie im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 trotz Fälligkeit keine Miete zahlen kann. Die Frage, ob dem Mieter daneben noch weitere Rechte, wie Mietminderung oder gar Kündigungsrechte, zustehen, lassen die neuen Regelungen weitestgehend offen und ist daher nach dem allgemeinen Mietrecht zu beantworten.

 

Das Corona-Virus und seine Folgen als Mangel der Mietsache/Mietminderungsanspruch des Mieters

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist für die Bejahung des Mangels stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nötig, was bedeutet, dass der Mangel der Mietsache grundsätzlich der Mietsache selbst anhaften muss (vgl. u. a. BGH v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97). Solange also das Infektionsrisiko nicht von den Mieträumen selbst ausgeht, muss ein direkter Mangel daher in der Regel verneint und eine Mietminderung zurückgewiesen werden. Die bloße Befürchtung eines Infektionsrisikos begründet kein Minderungsrecht (so bereits OLG Hamm v. 25.03.1987 – 30 REMiet 1/86). Eine andere Beurteilung kann jedoch mit Blick auf die nunmehr festgestellte Infektionsgefahr durch Aerosole geboten sein, wenn die Raumluft mangels ausreichender Lüftungsmöglichkeiten nicht oder nicht ausreichend abgeführt werden kann, sodass sich die Mieträume aufgrund der dadurch tatsächlich bestehenden Infektionsgefahr nicht mehr zum vertragsgemäßen Gebrauch eignen und ohne Gesundheitsgefahr nicht mehr genutzt werden können. Eine Einzelfallbetrachtung ist daher unumgänglich.

Nach der oben genannten BGH-Rechtsprechung kann eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit durch Umweltstörungen in der Regel nur dann gegeben sein, wenn ein Bezug zum konkreten Mietobjekt besteht. Dies ist zu verneinen, wenn Regelungen oder Hinweise die Allgemeinheit betreffen und nur in der Folge zum Rückgang der Kunden führen. Damit dürften die pandemiebedingten Ausgangssperren  oder die staatliche Aufforderung, Sozialkontakte zu meiden, kein Minderungsgrund i. S. d. BGH-Rechtsprechung darstellen (vgl. BGH v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97).

Beim bloßen Umsatzrückgang oder der häuslichen Quarantäne der Beschäftigten, die nicht auf einen Mangel der Mietsache zurückzuführen sind, da die Nutzung der Mietsache weiterhin uneingeschränkt möglich bleibt, muss ein Recht des Mieters auf Mietminderung oder gar Vertragsbeendigung wohl ebenfalls verneint werden, da nach ständiger Rechtsprechung des BGH das Verwendungsrisiko und die nicht verwirklichte Gewinnerwartung grundsätzlich dem Risikobereich des Mieters zuzuordnen sind, sofern der Vermieter das Risiko nicht vertraglich ausdrücklich übernommen oder dem Mieter einen Mindestumsatz zugesichert hat bzw. sich in sonstiger Weise am Geschäftsrisiko des Mieters beteiligt. (vgl. BGH v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97; BGH v. 23.10.2019 – XII ZR 125/18; BGH v. 25.11.2015 – XII ZR 114/14; LG Berlin, v. 04.08.2008 – 12 O 812/07). Letzteres dürfte gerade bei Gewerberaummietverträgen nur selten der Fall sein.

Keinen Mangel der Mietsache und damit kein Minderungsrecht liegt im Fall von Home-Office vor, wenn der Mieter in der Folge angemietete Räumlichkeiten nicht benötigt, da das Verwendungsrisiko nach der Rechtsprechung des BGH auch hier alleine der Mieter trägt und auch der Grund für die fehlende Ausübung des Mietgebrauchs nach § 537 BGB allein beim Mieter liegt. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie diejenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs verlangt, § 537 Abs. 1 S. 2 BGB.

Behördliche Anordnungen oder sonstige Auflagen können in der Regel nur dann Minderungsrechte des Mieters begründen, wenn diese an die bestimmte Beschaffenheit der Mietsache     oder deren Lage anknüpfen (vgl. BGH v. 13.07.2011 – XII ZR 189/09). Die wegen COVID-19 behördlich angeordneten Betriebsuntersagungen sind in erster Linie zum Schutz der Allgemeinheit erfolgt, um eine Weiterverbreitung der Corona-Viren durch die Kunden der betroffenen Geschäfte einzudämmen und nicht, weil die Gewerberäume aufgrund ihrer Beschaffenheit und/oder Lage nicht mehr genutzt werden dürfen. In Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung zum gesetzlichen Rauchverbot, welches nach Ansicht des BGH allein den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigt und daher in den Risikobereich des Pächters/Mieters fällt, da es sich allein auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters/Pächters bezieht und somit nur dessen betriebliche Verhältnisse und sein Verwendungs- und Gewinnrisiko betrifft (vgl. BGH v. 13.07.2011 – XII ZR 189/09), dürfte ein Minderungsrecht des Mieters hinsichtlich der pandemiebedingten Ladenschließungen ebenfalls zu verneinen sein. Für die Ausweitung der BGH-Rechtsprechung auf die Corona-Folgen spricht zudem, dass Adressat der behördlichen Betriebsuntersagungen in der Regel nicht der Eigentümer/Vermieter, sondern der Mieter als Nutzer der Gewerberäume ist.

Dennoch muss in jedem Einzelfall eine Prüfung der mietvertraglichen Regelungen erfolgen, um ausschließen zu können, dass der Vermieter nicht doch ausnahmsweise für den konkreten Fall das Haftungsrisiko übernommen hat, wodurch seine vertragliche Leistung über die „bloße“ Überlassung der Mietsache hinausgeht. Auch, wenn dies bei Gewerberaummietverträgen eher selten der Fall sein dürfte, so ist eine Pauschalisierung der Rechtslage bei der Frage nach pandemiebedingten Mietminderungsansprüchen dennoch nicht möglich. Vielmehr ist auch hier für die rechtliche Einordnung und Beantwortung stets eine Einzelfallbetrachtung nebst konkreter Prüfung des Mietvertrages nötig.

 

Vertragsanpassung oder Vertragsbeendigung aufgrund der Corona-Belastung als Störung der Geschäftsgrundlage?

Immer mehr Meinungen (vgl. u.a. Cara Warmuth in COVuR 1/2020, S. 16) bejahen zudem mit Blick auf die Corona-Folgen die Anwendung der Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB, nach denen die Anpassung des Vertrags oder im Notfall die Vertragsbeendigung verlangt werden kann, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten und einem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Da das Corona-Virus nicht nur ein Problem weniger Geschäfte, sondern vielmehr der gesamten Weltwirtschaft ist und außerhalb des Einflussbereichs der Mietparteien liegt, sprechen viele Gründe für die Anwendbarkeit der Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage.

Gegen die Anwendung von § 313 BGB spricht insbesondere, dass diese nicht mit der von der Rechtsprechung entwickelten Risikoverteilung übereinstimmt, nach welcher in der Regel der Mieter das Verwendungs- und Ertragsrisiko trägt. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Rechtsprechung die Frage nach der Anwendbarkeit von § 313 BGB in Bezug auf die Corona-Pandemie beurteilen wird. Fest steht jedoch, dass auch hier stets eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist.

 

Ausblick

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen stellen insbesondere die Wirtschaft und die Immobilienbranche vor ungeahnte Probleme, deren Lösungswege sich erst mit der Zeit aufzeigen werden. Aufgrund dieser Ausnahmesituation gibt es viele verschiedene Ansätze, wie die Corona-Krise und deren Folgen rechtlich zu bewerten und zu lösen sind. Inwieweit geltende Regelungen und bestehende Grundsätze auf die vorliegende Problematik angewandt werden können, wird die Rechtsprechung zeigen müssen. Bis dahin haben es die Vertragspartner in der Hand, miteinander ins Gespräch zu gehen und individuelle und für beide Seiten akzeptable Lösungen zu finden – bei deren Erarbeitung und Lösungsfindung wir selbstverständlich gern behilflich sind. 

 

 

Eva-Maria Meichsner
Rechtsanwältin