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Keine Mängelrechte vor Abnahme der Bauleistung

Ein Sprichwort lautet: „Wo gehobelt wird, fallen Späne.“ Und so werden bei der Ausführung von Bauleistungen regelmäßig Fehler begangen und Mängel produziert.

Für den Auftraggeber von Bauleistungen stellt sich die Frage, welche Rechte ihm nach der Feststellung von Mängeln zustehen. Hierbei war in der Rechtsprechung und Literatur bislang umstritten, ob die Mängelrechte nach § 634 BGB, also das Recht auf Nacherfüllung, das Recht auf Selbstvornahme und Aufwendungsersatz, das Rücktrittsrecht und das Minderungsrecht sowie das Recht auf Schadenersatz, auch bereits vor Fertigstellung und Abnahme der Bauleistungen durch den Auftraggeber geltend gemacht werden können.

Immer wieder kommt es vor, dass bereits während der Bauausführung durch den Auftraggeber festgestellt wird, dass das Ergebnis der Bauleistungen nicht seinen Erwartungen und den vertraglich vereinbarten Leistungszielen entspricht. Ohne Zweifel sollte der Bauherr in einem solchen Fall seinen Auftragnehmer auf seine Feststellung hinweisen und Änderungen fordern. Fraglich ist jedoch, ob ihm nach dem Gesetz bereits die benannten Mängelrechte zustehen.

Man sollte meinen, dass eine solche grundlegende Frage bereits seit langem geklärt sein sollte. Dennoch hat es bis zum 25.01.2017 gedauert, dass diese Fragestellung durch den Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung unter dem Az. VIII ZR 249/15 geklärt wurde.

Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass die Mängelrechte nach § 634 BGB dem Auftraggeber grundsätzlich erst nach einer Abnahme der Werkleistungen zustehen. Verweigert also der Bauherr die Abnahme, weil er eine mangelfreie Fertigstellung des Werks nicht bescheinigen will, stehen ihm die Mängelrechte nach dem Werkvertragsrecht des BGB noch nicht zur Verfügung.

Insbesondere ist dies wichtig hinsichtlich der Geltendmachung von Kostenvorschüssen für die Mangelbeseitigung. Das Recht auf einen solchen Kostenvorschuss wird aus § 637 BGB, also dem Ersatz von Aufwendungen für eine Selbstvornahme der Mangelbeseitigung, hergeleitet.

Zwar hat der BGH in dem vorgenannten Urteil auch ausgeführt, dass der Auftraggeber unter Umständen ohne Abnahme Mängelrechte geltend machen kann, wenn er nicht mehr die Erfüllung des Vertrages verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Allein das Verlangen eines Kostenvorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme soll dafür aber nicht genügen. Vielmehr müsse sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben, dass der Auftraggeber unter keinen Umständen mehr mit dem Auftragnehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten will. In diesem Ausnahmefall kann der Auftraggeber dann aber auch im Nachgang bei der Feststellung weiterer Mängel keine Mangelbeseitigung durch den Auftragnehmer mehr fordern.

Gerade in dem Fall, dass bereits zum Zeitpunkt der formellen Abnahme ein Mangel besteht und erkannt wurde, stellt sich demzufolge die Frage, ob eine Abnahme trotz des erkannten Mangels erklärt werden sollte, um im Nachgang die Mängelrechte geltend machen zu können.

Zur Klärung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass der Auftraggeber auch vor der Abnahmeerklärung nicht rechtlos in Bezug auf festgestellte Mängel ist. In diesem Stadium des Bauvertrages steht dem Auftraggeber ein Erfüllungsanspruch zu. Demnach hat er ein – auch gerichtlich durchsetzbares – Recht, die mangelfreie Herstellung des vereinbarten Bauwerks einzufordern. Druckmittel sind dabei aber lediglich die Ansprüche aus dem allgemeinen Schuldrecht, wie Schadensersatzansprüche, Kündigungs- und Zurückbehaltungsrechte.

Gerade für den Fall, dass ein Dritter mit der Mangelbeseitigung beauftragt werden soll und dem Auftragnehmer damit gedroht wird, ihm die Kosten der Mangelbeseitigung durch einen Dritten aufzuerlegen, ist zwingend sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Mängelrechte aus § 634 BGB, also auch die erfolgte Abnahme, vorliegen. Im Zweifel ist vor der Geltendmachung zu prüfen, ob und unter welchen Maßgaben eine Abnahmeerklärung abgegeben werden kann. Bekannte Mängel können und müssen in der Abnahmeerklärung gemäß § 640 Abs. 2 BGB ausdrücklich vorbehalten werden.

Zu berücksichtigen ist, dass diese Rechtsprechung nicht ausschließlich auf den Bauvertrag als bekanntesten Fall des Werkvertrags anzuwenden ist, sondern unter anderem auch auf Verträge mit Architekten und Ingenieuren, Abrechnungsdiensten und Dienstleistern im Bereich Gartenpflege sowie Hausreinigung.

Martin Alter

Rechtsanwalt

in Kanzleiforum 03/2017

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz