Mieterhöhung aufgrund Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete
Nachdem in den 90er Jahren vielfach Mieterhöhungen nach durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen eine Rolle spielten, finden derzeit wieder bei zahlreichen Wohnungsunternehmen Anpassungen an die ortsübliche Vergleichsmiete statt. In einigen Wohnungsunternehmen laufen derzeit Prüfungen, ob Mieterhöhungen möglich sind, insb. weil die Kreditinstitute entsprechende Prüfungsauflagen erteilt haben. Zum Teil – so haben wir in Beratungen festgestellt – ist diese Prüfung erst Anlass, sich einmal vor Ort über den Zustand der einzelnen Bestände zu informieren und dies auch zu dokumentieren, insbesondere hinsichtlich des Ausbaustandes und erbrachter Mietereigenleistungen.
Gemäß § 558 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. Erhöhungen wegen Modernisierung oder Betriebskostenanpassung werden nicht berücksichtigt, auch nicht solche, die auf Modernisierungsvereinbarungen beruhen, vgl. BGH Urteil vom 09.04.2008, Az. VIII ZR 287/06. Anders als bei der Modernisierungsmieterhöhung, die durch einseitige Gestaltungserklärung erfolgt, wird nach § 558 BGB ein Änderungsvertrag geschlossen, auf den der Vermieter ggf. einen Anspruch hat. Der Vermieter hat dabei keinen Anspruch auf schriftliche Zustimmung durch den Mieter – vorbehaltlich abweichender Vereinbarung, der Mieter kann seine Zustimmung also auch telefonisch auf dem Anrufbeantworter erklären, vgl. Aktuelle Information Nr. 01/2009. Auch eine konkludente Zustimmung durch schlüssiges Verhalten, z.B. durch Zahlung der erhöhten Miete kommt in Betracht. Dann muss aber ein aktives Verhalten des Mieters (z. B. Überweisung oder Bareinzahlung), nicht aber ein nur passives Dulden des Lastschrifteinzuges vorliegen. Umstritten ist auch, ob bereits ein einmaliges oder erst ein mehrfaches Zahlen der erhöhten Miete auf einen Zustimmungswillen schließen lässt.
Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. Ausgenommen ist Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, § 558 Abs. 2 BGB.
Die 5 erheblichen Vergleichbarkeitskriterien betreffen dabei die:
- Art: Struktur des Hauses (z. B.: Alt-/Neubau; Reihen- oder Einfamilienhaus etc.) und des Wohnraums (z. B. Maissonette etc.)
- Größe: Fläche und Zimmerzahl, wobei mangels abweichender Vereinbarung (vgl. BGH Urteil vom 08.07.2009, Az. VIII ZR 205/08 und vom 23.05.2007, Az. VIII ZR 138/06: Vereinbarungen sind bis zur 10%-Grenze zulässig) für die Flächenberechnung bei Mietverträgen bis 2003 die II. BV und seit 2004 die Wohnflächenverordnung maßgebend sein soll;
- Ausstattung: Einrichtungen, die der Vermieter zur ständigen Benutzung zur Verfügung gestellt hat, d.h. in Eigenleistung durch Mieter erbrachte bleiben unberücksichtigt, vgl. BGH Urteil vom 07.07.2010, Az. VIII ZR 315/09 (Ausnahme: abweichende Vereinbarung); z. B. Keller, Fahrrad- und Trockenraum, Heizung, Bodenbeläge, Sanitäreinrichtungen, Terrassen etc.
- Beschaffenheit: Wohnungszuschnitt, Bauweise, Instandhaltungs- und Modernisierungsgrad, wobei behebbare Mängel unberücksichtigt bleiben; und
- Lage: der Wohnung im Haus (Erd-, Mittel oder Dachgeschoss, Innen- oder Außenwohnung) und Lage des Gebäudes (z. B. zentral, verkehrsberuhigt, nahe Einkaufsmöglichkeiten etc.); vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Kommentar zum Mietrecht, 10. Auflage, § 558 Rz. 49 ff..
Dabei geht es um eine Vergleichbarkeit, nicht um absolute Gleichheit, denn diese wird zwangsläufig nicht erzielbar sein.
Unerheblich ist es, wenn die Ausgangsmiete seit Vertragsbeginn unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, vgl. BGH Urteil vom 20.06.2007, Az. VIII ZR 303/06.
Der Vermieter muss weiter die sog. Kappungsgrenze beachten, wonach sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 BGB abgesehen, nicht um mehr als 20 % erhöhen darf (Ausnahmen s. § 558 Abs. 4 BGB).
Von dem Erhöhungsbetrag sind Fördermittel abzuziehen und anzugeben, § 558 Abs. 5 BGB; vgl. BGH Urteil vom 19.01.2001, Az. VIII ZR 87/10; AG Köpenick Urteil vom 05.10.2010, Az. 7 C 229/10; BGH Urteil vom 01.04.2009, Az. VIII ZR 179/08.
Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam, § 558 Abs. 6 BGB.
Gemäß § 558 a BGB ist dem Mieter das Mieterhöhungsverlangen nach § 558 in Textform zu erklären und zu begründen, letzteres insbesondere durch Bezugnahme auf
- einen Mietspiegel: Existiert ein qualifizierter Mietspiegel, ist zwingend damit zu begründen. Die verlangte Miete muss innerhalb der Mietspiegelspanne liegen, kann aber auch die Höchstgrenze erreichen, vgl. BGH Urteil vom 21.10.2009, Az, VIII ZR 30/09. Ausreichend ist die Angabe des einzelnen Mietspiegelfeldes, der Mieter kann dann die richtige Einordnung selbst prüfen, vgl. BGH Urteil vom 11.03.2009, Az. VIII ZR 316/07. Sofern der Mietspiegel allgemein zugänglich ist, muss der Vermieter Bezugsmöglichkeiten nicht benennen, vgl. BGH Urteil vom 31.08.2010, Az. VIII ZR 231/09 und auch den Mietspiegel nicht beifügen, selbst wenn für die Abforderung bei allgemein zugänglichen Stellen eine geringe Schutzgebühr erhoben wird, vgl. BGH Urteil vom 30.09.2009, Az. VIII ZR 276/08, 28.04.2009, Az. VIII ZB 7/08. Möchte der Vermieter geltend machen, dass ein qualifizierter Mietspiegel fehlerhaft ist, muss er den vollen Beweis dafür erbringen, vgl. LG Frankfurt WuM 2010, 570. Ein Mietspiegel kann urheberrechtlich geschützt sein, so dass der Vermieter mit der Anfertigung von Kopien rechtswidrig handelt, vgl. OLG Stuttgart Urteil vom 14.07.2010, Az. 4 U 24/10, s. a. Aktuelle Information Nr. 21/2011. Ist der Mietspiegel im Internet einsehbar, genügt es jedenfalls, wenn die Internetadresse benannt und ein Ausdruck der einzelnen Schritte der Online-Berechnung beigefügt wird, vgl. KG Beschluss vom 16.03.2009, ZMR 2009, 756. Bestehen keine kostengünstigen allgemein zugänglichen Bezugsquellen, kann der Vermieter den Mieter auch auf eine Einsichtnahme in seiner Geschäftsstelle verweisen, vgl. BGH Urteil vom 11.03.2009, Az. VIII ZR 74/08.
- eine Auskunft aus einer Mietdatenbank,
- ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen: Dieses ist dann im Original beizufügen. Wegen der hohen Kosten lohnt sich dies in der Regel nur für Einzelvermieter in ländlichen Gegenden, die anderenfalls keine Chance auf Mieterhöhungen hätten. Typengutachten können ausreichend sein, vgl. BGH Urteil vom 19.05.2010, Az. VIII ZR 122/09; Aktuelle Information Nr. 27/10.
- oder die Benennung von (mindestens) drei Vergleichswohnungen. Dies ist der häufigste Fall. Wir empfehlen mindestens die Benennung von 4 Vergleichswohnungen, um Spielraum zu haben, falls im Rechtsstreit bei einer Wohnung die Vergleichbarkeit streitig wird. Die Vergleichswohnungen dürfen aus dem Bestand des Vermieters und sogar aus demselben Haus stammen. Weisen die Vergleichswohnungen unterschiedliche Mietpreise auf, kann nur bis zu dem niedrigsten Vergleichspreis erhöht und nicht etwa der Durchschnittswert gebildet werden.
Durch zutreffende Bezugnahme auf eines der vorgenannten Begründungsmittel wird das Erhöhungsverlangen formell begründet. Die materielle, also inhaltliche, Begründetheit des Erhöhungsanspruches wird anschließend im Falle des Bestreitens durch den beklagten Mieter nochmals gerichtlich, und zwar in der Regel durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, geprüft. Dessen Kosten hat die im Gerichtsverfahren unterliegende Partei zu tragen.
Einen Zuschlag für nicht wirksam übertragene Schönheitsreparaturpflichten darf der Vermieter mangels Rechtsgrundlage nicht erheben, vgl. BGH Urteil vom 11.02.2009 Az. VIII ZR 118/07.
Jeder Vermieter sollte den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber Mietern beachten, besonders gilt dies bei Genossenschaften. Eine Genossenschaft verletzt diesen Grundsatz jedoch nicht, wenn sie die Mieterhöhung von nur einem einzigen Mieter verlangt, der anders als alle anderen Mieter, die hierzu berechtigt gewesen wären aber darauf verzichtet haben, die Miete während einer Baumaßnahme gemindert hatte. Die Genossenschaft „ist berechtigt, unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen und zwischen den Mitgliedern nach sachlichen Kriterien in angemessener Weise zu differenzieren“, BGH Urteil vom 14.10.2009, Az. VIII ZR 159/08.
Soweit der Mieter der Mieterhöhung zustimmt, schuldet er die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens.
Stimmt der Mieter der Mieterhöhung nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens zu, kann der Vermieter auf Erteilung der Zustimmung klagen. Die Klage muss innerhalb von drei weiteren Monaten erhoben werden, § 558 a Abs. 2 BGB. Im Laufe des Rechtsstreits kann der Vermieter u. U. noch Mängel des Erhöhungsverlangens beheben. Dann läuft aber nochmals die Zustimmungsfrist. Der Vermieter trägt daher ein erhebliches Prozesskostenrisiko, insbesondere wenn die zweite Frist nach der anberaumten mündlichen Verhandlung – und damit dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt endet.
Im Servicebereich unserer website www.strunz-alter.de haben wir für unsere Mandanten mit Beratungsvertrag Muster für die Geltendmachung des Besichtigungsrechtes sowie für Mieterhöhungsverlangen zur Verfügung gestellt.
Noreen Walther
Rechtsanwältin
im Kanzleiforum 06/2011
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz