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Nießbrauch am Wohnungseigentum

In der Praxis werden des Öfteren Nießbrauchsrechte an Eigentumswohnungen bestellt. Der Artikel stellt Aspekte der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums für diese Fälle näher vor.

 

  1. Allgemeines zum Nießbrauch

Unter einem Nießbrauch versteht man als Form der Dienstbarkeit die Belastung einer Sache mit dem umfassenden Recht, Nutzungen aus ihr zu ziehen, § 1030 BGB. Bei Grundbesitz ist eine Eintragung im Grundbuch erforderlich. Anders als der Wohnungsrechtsinhaber darf der Nießbraucher einer Wohnung diese nicht nur selbst bewohnen, sondern sie auch vermieten und die Mieteinnahmen behalten0. Der Nießbraucher ist zum Besitz berechtigt, muss jedoch bei der Nutzung die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der Sache aufrechterhalten, darf keine wesentlichen Veränderungen oder Umgestaltungen vornehmen und hat für die gewöhnliche Unterhaltung der Sache zu sorgen §§ 1036, 1037, 1041 BGB. Diese und zahlreiche weitere Rechte und Pflichten gemäß §§ 1030-1067 BGB gelten im Verhältnis zwischen Nießbraucher und Eigentümer. Der Nießbraucher kann sein Recht weder veräußern noch vererben, mit seinem Tod erlischt das Nießbrauchsrecht also, §§ 1059 f. BGB. Häufig wird es genutzt, um die Erbfolge vorwegzunehmen, d.h. z. B. Eltern übertragen den Kindern noch zu Lebzeiten das Eigentum an der Immobilie, behalten sich aber ein Nießbrauchsrecht vor. Dies kann mit steuerrechtlichen Vorteilen einhergehen.

 

  1. Besonderheiten des Nießbrauchs im WEG

Wird an einem Wohneigentum ein Nießbrauchsrecht bestellt, so wird es in Abteilung 2 des Wohnungsgrundbuchs eingetragen und es gelten Besonderheiten, die nicht aus den gesetzlichen Regelungen ersichtlich sind, sondern erst durch die Rechtsprechung entwickelt wurden.

Der Nießbrauch ändert zunächst nichts am alleinigen Stimmrecht des Eigentümers1. Diese muss allenfalls bei der Ausübung seines Stimmrechts auf die Interessen des Nießbrauchers Rücksicht nehmen und kann deshalb auch im Einzelfall aus dieser Rücksichtnahmepflicht oder aus internen Vereinbarungen mit dem Nießbraucher verpflichtet sein, diesem eine Stimmrechtsvollmacht zu erteilen.2

Umstritten ist der Umgang mit vereinbarten Vertretungsbeschränkungen, also Klauseln in Gemeinschaftsordnungen, die eine Stimmrechtsbevollmächtigung z. B. nur zugunsten anderer Eigentümer und des Verwalters zulassen, nicht aber zugunsten eines Nießbrauchers. Nach einer Ansicht ist eine solche Vereinbarung wirksam und zu beachten3. Nach anderer Ansicht darf der Nießbrauchsberechtigte dennoch teilnehmen, weil er kein gemeinschaftsfremder Dritter sei4.

Der Nießbraucher kann aber kein eigenes Teilnahmerecht geltend machen, weil ihm keine Mitverwaltungsrechte gegebüber der Gemeinschaft zustehen5.

Hat der Nießbraucher unberechtigt an der Versammlung teilgenommen, ist der Beschluss anfechtbar, nicht jedoch nichtig6.

Der Nießbrauchsberechtigte darf jedenfalls nicht neben dem Eigentümer teilnehmen. Das ist indessen ein allgemein gültiger Grundsatz: Entweder der Eigentümer erscheint selbst zur Versammlung oder er lässt sich mit Stimmrechtsvollmacht vertreten. Das Erscheinen von Vertretenem und Vertreter gleichzeitig ist nicht zulässig.

Das bedeutet auch, dass weiterhin der eingetragene Eigentümer und nicht – auch nicht zusätzlich – der Nießbrauchsberechtigte zur Versammlung zu laden ist7.

  • Stimmrechtsausübung allein durch Eigentümer
  • Einladung nur an Eigentümer
  • Stimmrechtsvollmacht nach allgemeinen Grundsätzen

 

Nießbrauchsberechtigte besitzen kein eigenes Anfechtungsrecht8, können aber u. U. durch den Wohnungseigentümer in Prozessstandschaft zur Klage ermächtigt werden9.

  • kein Beschlussanfechtungsrecht des Nießbrauchers

 

Als Inhaber nur eines dinglichen Nutzungsrechtes übernimmt der Nießbraucher keine Pflichten gegen-über der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer10. Hausgeldschuldner bleibt deshalb allein der Woh-nungseigentümer, nur dieser ist bei Verzug zu mahnen und zu verklagen. Jedoch kann der Nieß-braucher gegenüber dem Wohnungseigentümer aus dem Innenverhältnis zwischen diesen zur Erstattung der Hausgelder verpflichtet sein, dann wäre bei Verzug des Wohnungseigentümers dessen Erstattungsanspruch gegen den Nießbraucher durch die Gemeinschaft pfändbar.

  • Hausgeldschuldner bleibt allein der Wohnungseigentümer.

 

Der Nießbraucher ist Nutzungsberechtigter im Sinne des § 15 WEG11, also Adressat einer Modernisierungs- oder Sanierungsankündigung.

Soweit ihm im Rahmen des Nießbrauchs vom Wohnungseigentümer ein Nutzungsrecht eingeräumt ist, berechtigt ihn dies auch zur Mitbenutzung des Gemeinschaftseigentums im Rahmen der bestehenden Gebrauchsregelung12.

Überschreitet der Nießbraucher selbst oder sein Mieter die Nutzungsbefugnisse, können die Eigentümer bzw. die Gemeinschaft der Eigentümer sowohl von ihm Unterlassung verlangen als auch vom Sondereigentümer, dass dieser auf den Nießbraucher seinerseits einwirkt13. Die Klage gegen ihn unterliegt aber – wie bspw. Unterlassungsklagen gegen störende Mieter auch – nicht der Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts14.

Wird der Nießbraucher durch andere Sondereigentümer, die Gemeinschaft oder Dritte in seinem Nutzungsrecht beeinträchtigt, stehen ihm nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eigene Abwehrrechte zur Verfügung, §§ 1065 f. BGB. Ungesichert ist jedoch, ob er diese über den Wohnungseigentümer oder direkt gegenüber dem Störer ausüben darf15.

  • Mitverwaltungsrechte prüfen

 

Wollen die Eigentümer durch Vereinbarung ein Sondernutzungsrecht begründen, das zur Folge hat, dass alle anderen Eigentümer und Nutzungsberechtigten, einschließlich des Nießbrauchsberechtigten, von der Mitbenutzung dieses Bereichs zukünftig ausgeschlossen werden, bedürfen sie zuvor der Zu-stimmung des Sondereigentümers und des Nießbrauchers als dinglich Nutzungsberechtigtem. Ein Mieter dagegen als nur schuldrechtlich Berechtigter müsste nicht zuvor um Zustimmung gebeten wer-den. Entsprechend bedarf es zunächst der Zustimmung aller Wohnungseigentümer und des Nieß-brauchsberechtigten, wenn Stimmrechte verändert, ein generelles Tierhaltungs- oder Musizierverbot16 oder eine Veräußerungsbeschränkung i. S. v. § 12 WEG neu vereinbart werden sollen17. Die Aufhebung einer Veräußerungsbestimmung dagegen bedarf keiner allseitigen Vereinbarung, sondern nur eines Mehrheitsbeschlusses und ist deshalb ohne Zustimmung des Nießbrauchers beschlussfähig, § 12 Abs. 4 WEG.

  • bei Vereinbarungen u. U. Zustimmungserfordernis

 

Nießbrauchsberechtigte dürfen nicht zum Verwaltungsbeirat bestellt werden18.

  • keine Beiratstätigkeit

 

Falls der Nießbrauchsberechtigte die Wohnung vermietet hat gilt: Endet der Nießbrauch, bleibt der Mietvertrag über den Wohnraum dennoch bestehen und der Sondereigentümer tritt als Vermieter in den Mietvertrag ein, §§ 1056, 566 BGB19.

Da das Nutzungsrecht grds. umfassend auf den Nießbraucher übergeht, darf dieser statt das Wohnungseigentum selbst zu nutzen und zu verwalten, dieses auch vermieten und verwalten lassen, also Sondereigentumsverwaltungsverträge abschließen.

 

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

0            vgl. Fuhrländer/Füllbeck WEG-Verwaltung-HdB, § 2. Rechtliche Grundlagen Rn. 346

1             vgl. Schultzky in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage 2024, § 25 WoEigG, Rn. 21
               (keine Spaltung wie in der Zwangsverwaltung)

2             vgl. MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl. 2023, WEG § 25 Rn. 23; BGH, Beschluß 7. 3. 2002 – V ZB 24/01

3             vgl. Armbrüster DNotZ 1999, 562; OLG Hamburg: Beschluss 12.05.2003 – 2 Wx 1/01 für Wohnrechtsinhaber

4             vgl. MüKoBGB/Pohlmann 9. Auflage 2023 § 1066 Rn 14; Schmidt: Nießbrauch und Wohnungseigentum, MittBayNot 1997, 65, 71;
               MittBayNot 2002, 184 unter Berufung auf BGH 07.03.2002 – V ZB 24/01; Schöner DNotZ 1975, DNOTZ Jahr 1975 Seite 84;
               KG NJW_RR 1995, 147; Bevollmächtigung des Nießbrauchers zur Stimmrechtsausübung in der
               Wohnungseigentümerversammlung; Kollision mit Vertreterklausel in der Gemeinschaftsordnung,
               DNotI-Report 2015, 140

5             vgl. Armbrüster/Roguhn: „Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Versammlung – wen muss, wen darf man zulassen?“,
               ZWE 2016, 105

6             Hügel/Elzer, § 25 Rn. 44; BGH, Beschluss vom 14. 5. 2009 – V ZB 172/08

7             vgl. Schultzky in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage 2024, § 25 WoEigG, Rn. 21

8             vgl. BGH v. 27.11.2020 – V ZR 71/20, MDR 2021, 669

9             vgl. AG München, Urteil vom 26. Mai 2023 – 1295 C 8327/22

10           vgl. Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 16 Rn. 163; BGH Urt. v. 18.6.2021 – V ZR 146/20

11           vgl. Grüneberg / Wicke, BGB, 84. Aufl., § 15 WEG Rn. 1; Reinke, MK 2024, 57-60

12           vgl. Grziwotz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage 2024, § 5 WoEigG, Rn. 59

13           vgl. Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage 2024, § 14 WoEigG, Rn. 25

14           vgl. Suilmann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage 2024, § 43 WoEigG, Rn. 52;
               BGH 10.07.2015 – V ZR 194/14

15           vgl. Staudinger/Jacoby (2023) WEG § 9a, Rn. 174; Staudinger/Lehmann-Richter WEG § 18, Rn. 112

16           Bärmann/Suilmann, 15. Aufl. 2023, WEG § 10 Rn. 58

17           vgl. BeckOK WEG/Müller, 56. Ed. 2.4.2024, WEG § 10 Rn. 108;
               LG Aachen, Beschluß vom 7. 3. 1986 – 3 T 84/86;
               a. A. Sauren/Sauren, 6. Aufl. 2014, WEG § 10 Rn. 88a

18           Drasdo, Der Verwaltungsbeirat nach dem WEG, Rz. 103; a. A. Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz,
               8. Auflage 2024, § 29 WoEigG, Rn. 16

19           vgl. Grziwotz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage 2024, § 37 WoEigG, Rn. 2