Update zur Grundsteuer
Aktuell wird öffentlichkeitswirksam in der Politik diskutiert, wie sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 (Az.: 1 BvL 11/14, BvR 889/12, 1 BvR 639/11, BvL 1/15, 1 BvL 12/14) auf eine mögliche Neuregelung zur Bemessung der Grundsteuer auswirken muss. Bekanntlich hatte das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung als verfassungswidrig erklärt und dies im Wesentlichen auf die nicht mehr zeitgemäße Hauptfeststellung zum 01.01.1964 und die damit verzerrten Werteverhältnisse gestützt. Hinweise zur Bemessung von Wertigkeiten oder zu Gründen der Steuer hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht gemacht.
Die bereits stattgefundenen Vorgespräche und Diskussionen endeten schließlich in der o. g. Entscheidung und zwingen den Gesetzgeber nunmehr, bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung zu finden (Stichtag ist die Veröffentlichung im Bundesanzeiger). Die im Durchschnitt jährlich in Höhe von 14 Milliarden EUR eingenommene Grundsteuer darf bei einer nicht fristgemäßen Reaktion des Gesetzgebers andernfalls nicht mehr erhoben werden, etwaige Leistungsbescheide gegenüber den Eigentümern dürften dann vorerst nicht mehr durchsetzbar bzw. vollstreckbar sein. Wird eine Neuregelung zur Grundsteuer gefunden, dürfen die „alten“ Einheitswerte noch bis zum Ende des Jahres 2024 als Bemessungsgrundlage dienen, die Veranlagung mit neuen Werten wäre dann ab dem 01.01.2025 einschlägig.
Pressewirksam sind zwei Hauptmodelle für die künftige Bemessung auf den Tisch gekommen:
Das WAM wird als einfaches oder vereinfachtes Ertragswertverfahren bezeichnet und hat die Ermittlung auf der Grundlage der realen Kaltmieten als Nettowert zum Inhalt. Hierbei wird auch die Restnutzungsdauer des Mietgebäudes und der aktuell abgezinste Bodenwert des Grundstücks berücksichtigt.
Das WUM hingegen ist ein Modell nach reiner Fläche der Gebäude und Grundstücke.
Nach Einschätzung der Wohnungsverbände wird seitens der Wohnungsunternehmen wohl das WUM favorisiert, schon aus der Zweckmäßigkeit heraus sowie aufgrund des geringeren Aufwandes und der geringeren Kostenbelastung bei der Wertermittlung.
Aktuell haben sich das Bundesfinanzministerium und die Bundesländer am 07.03.2019 auf ein Eckpunktepapier zur Reform geeinigt, welches nur noch von Bayern blockiert wird. Im Ergebnis ist dies eine Modifikation des vom Bundesfinanzminister präferierten Modells WAM. Inhaltlich soll aller Voraussicht und nach derzeitigem Stand der Kompromiss wie folgt aussehen:
- Berücksichtigung der durchschnittlichen Nettokaltmiete (Zensus des Statistischen Bundesamtes) mit Bildung von Gruppen ab einer bestimmten Schwelle; unter dieser Schwelle Anrechnung der Einzelmieten zur Vermeidung von Härten
- bei selbstgenutzten Immobilien wird ein eigener Mietwert ermittelt
- in Ballungsgebieten wird die Steuermesszahl der Gemeinde für bestimmte Wohnungen gesenkt (Adressat sind kommunale Unternehmen und Genossenschaften, Vereine und gemeinnützige Vermieter), sie soll vorerst bei 0,325 Promille liegen (der Hebesatz darf weiterhin durch die Gemeinde selbst festgelegt werden)
- Bodenrichtwerte werden im Rahmen von zusammengefassten Durchschnittswerten der Örtlichkeiten berücksichtigt
- Baujahre werden ebenfalls im Detail berücksichtigt, Grenze ist hier das Jahr 1948
Der bayrische Ministerpräsident hat im Zuge seiner Blockade und für sein Eintreten zugunsten des WUM die Bildung einer Arbeitsgruppe gefordert, dies dürfte den Weg zur Einigung steiniger und zeitlich angespannter werden lassen.
Ebenfalls noch nicht geklärt ist die Anschlussdiskussion, die die SPD Anfang März 2019 vorstellte (vgl. FAZ am 05.03.2019). Tragen künftig Vermieter die Grundsteuer allein oder darf die Grundsteuer weiterhin gesetzeskonform auf die Mieter umgelegt werden? Steigen im Falle der Nichtumlagefähigkeit einer neuen Grundsteuer dann zwangsläufig die Kaltmieten? Oder werden gar Investitionen und Modernisierungen zurückgefahren?
Diese höchst brisante Problematik ist derzeit noch nicht geklärt und dürfte in jedem Falle auch Änderungen im Mietrecht nach sich ziehen. Wir werden Sie hierzu selbstverständlich auf dem Laufenden halten.
Sebastian Tempel
Rechtsanwalt
Kanzleiforum 01/2019
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz