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Wann müssen Arbeitgeber ein bEM anbieten?

Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) dient dazu, die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers wiederherzustellen. Das Bundesarbeitsgericht stellte kürzlich in seiner Entscheidung vom 18.11.2021, Az.: 2 AZR 128/21 klar, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement kein Mindesthaltbarkeitsdatum hat. Nachfolgend sollen hierzu in diesem Artikel die entscheidenden tatsächlichen Voraussetzungen und rechtlichen Vorschriften betrachtet werden.

 

Wann müssen Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement anbieten?

Ein bEM soll dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, das gestörte Arbeitsverhältnis wieder in normales Fahrwasser zu bringen. Gestört ist es, da der Arbeitgeber auch bei einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers Lohn bezahlt, der wiederum aber keine Gegenleistung, also Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein bEM anzubieten, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig ist.

 

Muss der Arbeitnehmer sechs Wochen am Stück arbeitsunfähig sein?

Nicht zwingend, es können auch in Summe mehr als sechs Wochen sein. Dabei ist wichtig, dass es nicht um sechs Wochen in einem Kalenderjahr geht, also vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Der Zwölf-Monats-Zeitraum beginnt mit dem ersten Tag einer Arbeitsunfähigkeit.

 

Wie sieht ein bEM in der Praxis aus?

Das Bundesarbeitsgericht definiert es in seiner o. g. Entscheidung als verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess, in dem beide Parteien miteinander eruieren sollen, wie die bestehende Arbeitsunfähigkeit beendet oder eine erneute Arbeitsunfähigkeit verhindert werden kann. Ein einfaches Beispiel sind Rückenschmerzen des Arbeitnehmers, die dazu führen, dass er über einen längeren Zeitraum erkrankt ist. Dann lädt der Arbeitgeber ihn im Rahmen des bEM zu einem Gespräch ein. Ein Ergebnis des Gesprächs kann dann z. B. sein, dass der oder die Angestellte einen höhenverstellbaren Schreibtisch erhält.

 

Ist ein bEM für beide Seiten Pflicht?

Nein, der Beschäftigte kann entscheiden, ob er oder sie das machen will oder nicht.

 

Ist das bEM für den Arbeitgeber obligatorisch?

Ein bEM anzubieten, ist bei Überschreiten der Sechs-Wochen-Marke für den Arbeitgeber verpflichtend. Ob dabei dann über die Diagnose gesprochen wird, entscheidet auch wieder der oder die Beschäftigte selbst.

 

Wer entscheidet, wer bei dem bEM-Gespräch anwesend ist?

Ob bei dem Gespräch neben dem Arbeitnehmer auch jemand von der Arbeitnehmervertretung, wie etwa dem Betriebsrat teilnimmt, obliegt dem Wunsch des Arbeitnehmers. Wer arbeitgeberseitig teilnimmt, entscheidet der Arbeitgeber. Das ist häufig jemand aus der Personalabteilung oder sogar ein spezialisierter bEM-Beauftragter.

 

Gibt es gesetzliche Vorgaben zur bEM-Gesprächseinladung oder der Umsetzung?

Nein, denn der Prozess wird als verlaufsoffen verstanden. Das Gesetz enthält in § 167 Abs. 2 SGB IX nur sehr wenige Vorgaben. In der Regel ist es ratsam, die Einladung schriftlich zu gestalten. Wie schon erwähnt, muss unter anderem mitgeteilt werden, dass das bEM für den Arbeitnehmer freiwillig ist.

 

Das Bundesarbeitsgericht machte in seinem Urteil deutlich, dass ein bEM unter Umständen auch wiederholt werden muss, also kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ hat. Was bedeutet das?

Es ging in o. g. Entscheidung darum, dass der Arbeitnehmer nach dem bEM weiterhin bzw. erneut mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig war und dass der Arbeitgeber ihn darauf kündigte, ohne erneut ein bEM zu versuchen. Doch dass in einem Zwölf-Monats-Zeitraum mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit vorliegen müssen heißt nicht, dass der Arbeitgeber nur einmal im Jahr ein bEM anbieten muss. Ganz im Gegenteil: Mit jedem neuen Ablauf der sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber wieder ein neues bEM inszenieren, auch wenn es zuvor sogar abgelehnt wurde. Denn es könnte ja sein, dass der Arbeitsunfähigkeit nur eine andere Krankheit zugrunde liegt als bei dem ersten Gesprächsangebot und somit neue Maßnahmen zur Linderung möglich sind. Dass sich an dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers im Vergleich zum ersten bEM Angebot rein gar nichts verändert hat, kann ein Arbeitgeber schwer nachweisen. Parallele bEM-Verfahren muss der Arbeitgeber aber nicht durchführen.

 

Um zu klären, wann ein bEM erneut angeboten werden muss, sollte zuvor auch festgelegt werden, wann das Erste denn konkret endete oder?

Richtig, prinzipiell ist ein bEM abgeschlossen, wenn Einigkeit beider Parteien darüber herrscht. Einseitig kann der Arbeitgeber es nicht als beendet erklären. Aber wenn alle anderen am Prozess Beteiligten ebenfalls der Auffassung sind, dass es keine geeigneten Maßnahmen mehr gibt, kann es beendet werden. Dafür kann der Arbeitgeber den Beteiligten eine Frist setzen, in denen sie Zeit haben, das zu prüfen. Danach kann er dann von einem Abschluss des bEM ausgehen.

 

Was passiert, wenn der Arbeitgeber kein bEM anbietet?

Eine direkte Sanktionierung gegenüber dem Arbeitgeber ist gesetzlich nicht vorgesehen.

 

Rechtfertigt ein bEM grundsätzlich eine krankheitsbedingte Kündigung?

Ein bEM ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitnehmers. Aber es ist laut Bundesarbeitsgericht wichtig für die Verhältnismäßigkeit einer Kündigung. Fehlt ein bEM –  eine nicht ordnungsgemäße Einladung oder Durchführung wird als fehlende bEM betrachtet – ist der Arbeitgeber jedoch im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung einer deutlich erweiterten Darlegungslast im Falle eines Klageverfahrens durch den Arbeitnehmer ausgesetzt.

 

René Illgen
Rechtsanwalt